Glück, ich sehe dich anders
rollte es zusammen und sagte: »Schenk für Loheeni!« Als der Arzt später hereinkam, rief Louise: »Oh, Mann, Leukos müssen hoch, dann ab nach Hause!« Genau zu Loreens Geburtstag standen die Leukozyten bei neunhundert. Ab eintausend durfte sie erst gehen. Rolf war bei Louise auf der Station, während Loreen und ich am Geburtstagsmorgen zu Hause am Frühstückstisch saßen. Ich hatte ihr den Geburtstagsholzring mit vier Kerzen neben ihr Frühstücksbrett gestellt. Loreen hatte gar keinen Hunger. Es war ein trostloser Augenblick. Dann klingelte das Telefon. Es war Rolf mit der schönen Nachricht, dass Louise nach Hause dürfe, um mit Loreen Geburtstag zu feiern. Rolf entschied, mit dem Taxi von der Klinik zurückzufahren. Loreen und ich backten einen Kuchen, hörten laut Geburtstagsmusik und sangen Lieder. Als Loreen das Taxi mit unseren lieben Taxifahrerin Frau Frahm auf den Hof fahren sah, machte Loreen Luftsprünge. »Juhu, juhu, huhu!«, rief sie. Und dann gab es eine Begrüßungszeremonie, dass die Wände wackelten. Louise sang Loreen ein Ständchen, überreichte ihr das gemalte Bild, und Loreen zeigte Louise ihre Schulmaltafel, die sie zum Geburtstag bekommen hatte.
Wieder hatten wir einen Geburtstag geschafft.
UNMÖGLICHE ZUSTÄNDE
B is auf die dramatische Windpockenerkrankung, die kaputten Schleimhäute, eine schwere Grippeinfektion und schlimme Pseudokrupp-Anfälle, bis auf eine fehlende Intimsphäre und unerträgliche Geruchs- und Geräuschbelästigungen, bis auf massiven Schlafentzug und endlose Wartezeiten in der Klinik hatten wir das halbe Jahr während der Chemo gut überstanden.
Für die Kinderstation wünschte ich mir und anderen Eltern, denen Aufenthalte auf der Kinderkrebsstation bevorstehen, dass bald mehr Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt würden. Es war eine Zumutung, mit zum Teil sechs Personen in einem Zimmer untergebracht zu sein. Drei Kinder, die sich oft erbrechen, die im Zimmer auf den dafür vorgesehenen Bettpfannen ihre Notdurft verrichten müssen, die sich nachts gegenseitig stören, weil sie Schmerzen haben, deren sämtliche Geräte, an die sie angeschlossen sind, abwechselnd piepen, und dazu jeweils ein Elternteil, der bei seinem Kind schläft. Man muss schon mit der Erkrankung seines Kindes leben, braucht Kraft und viel Schlaf und hat noch zusätzlich diese Belastung zu ertragen. Mutter-Kind-Einheiten mit eigenem Bad und zwei großen Betten, das wäre wunderbar. Aber die Klinik ist nun mal kein Hotel, und man kann wohl froh sein, wenn die Medikamente verabreicht werden und man ein Dach über dem Kopf hat. Für Kinder, die ohne Eltern auf Station sind, sind große Zimmer für mehrere Patienten sicherlich besser, da sie sich miteinander unterhalten oder zusammen spielen können. Für uns Eltern, die bei ihren Kindern bleiben, ist es aber einfach belastend und viel zu laut. Hat man nachts schlecht geschlafen, kann man sich tagsüber nicht hinlegen, da sich Besucher anderer Patienten im Zimmer befinden oder die Schlafliegen nur in einer gewissen Zeit aufgestellt sein dürfen. Man sitzt den ganzen Tag neben seinem Kind auf einem Stuhl.
Andere Eltern bemängelten die Zustände auch, trauten sich aber nicht, den Ärzten etwas dazu zu sagen. Sie hatten Angst, dass bei Beschwerden ihre Kinder nicht mehr richtig behandelt würden. Wir waren uns einmal wieder nicht zu schade und setzten einen Brief auf, der die Zustände auf der Station bemängelte.
In einem Gespräch mit der Klinikleitung durften wir uns dann später anhören, dass man diese Zustände hinzunehmen hätte. Man könne schließlich keine Zimmer herzaubern, und Geld sei auch nicht genügend vorhanden, um derartige Wünsche, wie wir sie formuliert hätten, realisieren zu können.
Einmal erklärten mir Eltern, die mit dem Tod ihres Kindes zu rechnen hatten, dass sie froh seien, dass es bald so käme, weil sie diese Tage und Nächte in der Klinik nicht mehr ertragen könnten.
Ich möchte auf keinen Fall den Tod meines Kindes in Kauf nehme, nur um das alles nicht mehr ertragen zu müssen. Dann kämpfe ich lieber für bessere Zustände. Mein Kind ist lieb und artig und leidet, ohne zu klagen. Ich werde es niemals aufgeben.
Vor uns lagen jetzt noch mehrere Chemos und Bestrahlungen von Louises Gehirn. Von Letzteren hatten wir erst kürzlich erfahren. Man hatte uns mitgeteilt, Louise müsse zehn Tage hintereinander mehrere Minuten am Kopf bestrahlt werden. Dabei werde sie eine Maske zum Schutz der Augen tragen. Sie müsse
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