Glück, ich sehe dich anders
Weihnachtsmann hatte sein goldenes Buch dabei. Er schlug es auf und fragte Loreen: »Warst du denn auch artig? Ich habe von meinen Engeln gehört, dass du immer mit den Füßen aufstampfst, wenn du deinen Willen nicht bekommst?«
»Ja, schau, so!«, antwortete Loreen, und dann führte sie vor, wie laut sie mit den Füßen aufstampfen konnte. Sie gab auch zu, dass sie gern Cola trinkt und Chips isst. »Ja, Ja!«, sagte sie fröhlich.
Der Weihnachtsmann lobte Louise für ihre Tapferkeit im Krankenhaus. Louise winkte ab, als ob das nicht der Rede wert sei. Lieber solle er seine Geschenke auspacken. Ganz neugierig blickte Louise zu dem Wagen. Louise und Loreen tanzten uns noch etwas vor, und dann bekamen sie endlich ihre Geschenke.
Louise packte einen Operationssaal von Playmobil aus. Aber den hatte sie schon. Prompt rief sie: »Oh Mann, schon wieder einer!« Mit einer schauspielerisch herausragenden Leistung sah sie gelangweilt zu Boden und verzog schmollend den Mund. Dann lachte sie über sich selbst, dass sie sooooooo beleidigt tun konnte.
Loreen packte ein Friseurset aus: Haarföhn, Haarbürste, Spangen, Lockenwickler. Louise schnappte sich die Sachen. Sie kämmte sich ihre Glatze und föhnte sich.
Nachdem jedes der Mädchen seine an die zehn Geschenke ausgepackt hatte, gab es Lachsbrote, Kaffee und Plätzchen. Zum Abschluss machten wir noch ein Foto von den beiden vor dem mit roten und goldenen Kugeln geschmückten Tannenbaum.
Es war ein wunderschönes Weihnachtsfest.
Ebenso stimmungsvoll erlebten wir auch das Silvesterfest. Wir hatten das Glück, dass Louise genau zum 31. Dezember nach Hause durfte. Sichtlich angeschlagen nach dieser fünftägigen Tortur im Krankenhaus, hielt sie noch den ganzen Nachmittag durch. Wir hatten uns mit unseren Nachbarn zum Berlineressen und Sekt trinken verabredet. Louise und Loreen durften zur Feier des Tages aus den feinen Sektgläsern Kindersekt trinken und vom festlichen Kaffee- und Kuchengeschirr essen. Als abends die Silvesterknaller losgingen, lag ich neben Louise in ihrem Bett. Sie schlief schon. Nichts war mir mehr wert, als den Jahresausklang zu viert im Haus zu verbringen.
Im neuen Jahr hatte Louise nur noch eine Chemotherapie vor sich, die sie auch wieder gut überstand. Danach erholte sie sich erstaunlich gut. Auch ihre Haare wuchsen wieder. So gefiel sie mir am besten. Spitzbübisch, gut gelaunt, mit keckem Kurzhaarschnitt.
Es war Faschingszeit. Louise durfte rechtzeitig zum Faschingsbeginn in den Kindergarten. Die Dauertherapie mit Tabletten und Spritzen wie beim ersten Mal hatte begonnen. Diesmal war ihre Abwehr so gut, dass sie durchaus mit anderen Kindern spielen durfte. Louise und Loreen freuten sich auf das Faschingsfest im Kindergarten. Sie konnten sich bloß nicht recht entscheiden, als was sie sich verkleiden sollten. Viele verschiedene Modelle standen zur Auswahl. Alles wurde anprobiert: Louise als Gärtner, Loreen als Maikäfer, Louise als Prinzessin, Loreen als Biene, Louise als Hippie mit weiter Hose und buntem Hemd, mit Stirnband und Schokoladenzigarette im Mund. Von jedem Modell machte ich ein Foto. Loreen entschied sich für den Maikäfer und Louise für den Clown.
Louise freute sich, endlich ihren Freund Nico im Kindergarten wiederzusehen. Er war zusammen mit Louise und Loreen in der integrativen »Mäusegruppe« des Kindergartens. Louise wollte Nico gern heiraten, weil er einen so schönen Nachnamen hat: Fröhlich! Louise Fröhlich, das wäre es gewesen!
Am Wochenende ging es in die Kinderdisco in unserem Dorf. Louise sah aus wie ein Teenie: Minijeansrock, Hemd mit Jeansweste, Glitzerstrumpfhose und Schuhe, die beim Laufen über Holz- und Fliesenboden klackerten. Sie hatte sich mit rosafarbenem Lippenstift und hellblauem Lidschatten geschminkt und war in ihrem Element. Louise tanzte fröhlich zur lauten Musik und wünschte sich dann »Codo, der Dritte, aus der Sternenmitte, ich düse so gerne durch All« von dem DJ. Sie sang ihm das Lied vor. Aber der DJ hatte das Lied nicht. Louise quengelte so lange, bis Rolf nach Hause ging und die CD holte. »Ein Lied extra für Louise«, verkündete der DJ später durch sein Mikrofon, und Louise war happy und tanzte wild im Disconebel. Die anderen standen im Kreis um sie herum und schauten ihr zu.
Loreen war die Musik zu laut, und auch die Kinder schrien ihr zu viel. Sie blieb mit den Fingern in den Ohren abseits stehen und sah sich alles aus der Ferne an.
Beim Stuhltanz schließlich führte Louise die
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