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Glück muß man haben

Glück muß man haben

Titel: Glück muß man haben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Sonnenblume‹. Oder wenn gehen nach Hause heute wann? Schon zehn Uhr, weil kalt? Auch schlecht.«
    »Es wird uns nichts anderes übrigbleiben«, meinte Marianne. Sie konnte dabei einen Seufzer nicht unterdrücken.
    Vielleicht war es dieser Seufzer, der Wilhelm den Mut gab, sie zu fragen: »Sein es nicht möglich, daß gehen Sie noch mit auf mein Zimmer eine Stunde oder zwei?«
    »Nein«, erwiderte Marianne ohne Zögern. »Das ist nicht möglich.«
    Sie war enttäuscht. Also doch, dachte sie.
    »Ich mir das schon denken«, sagte Wilhelm und setzte leise – mehr für sich – hinzu: »Schade.«
    Gelsenkirchen ist eine Stadt, der man nicht unrecht tut, wenn man von ihr sagt, daß sie keinen Anspruch auf Schönheitspreise erheben kann. Gelsenkirchen ist eine Stadt der Arbeit, und dieser Titel hebt sie hoch über so manche Stadt des Glitzers hinaus – Las Vegas z.B. oder Reno. Auch in Gelsenkirchen kann Spazierengehen reizvoll sein, es kommt nur darauf an, wer es tut und für was die Betreffenden Augen haben; auf der Suche nach Zeugnissen großer Baukunst dürfen sie allerdings nicht sein.
    Marianne und Wilhelm waren das nicht. Die Suche, auf der sie sich befanden, ohne es schon unbedingt zu wissen, hatte nichts mit Materie zu tun, sondern mit Seele. Sie freuten sich über den Mond am Himmel, der sich heute vom Smog aus den Schloten der Stadt nicht unterkriegen ließ, wenn er auch sein Antlitz nur verschleiert zeigte. Die viel kleineren und schwächeren Sterne allerdings blieben verdeckt.
    »Es bleibt schön«, sagte Marianne. »Der Himmel ist klar.«
    Die Anforderungen, die in Gelsenkirchen ans Firmament gestellt werden, sind eben andere als die in Berchtesgaden. Dafür bleiben die Leute im Kohlenpott von Lawinen verschont. Auch ein Vorteil.
    »Kennen Sie Matthias Claudius?« fragte Marianne. »Dessen wunderschönes Gedicht über den Mond?«
    »Nein«, entgegnete Wilhelm, »sein er nicht bekannt in Rußland. Dürfen aber nicht glauben Sie«, setzte er hinzu, »daß in Rußland die Menschen nicht lesen Gedichte.«
    »Ich weiß, die lesen dort überhaupt sehr viel.«
    »Woher Sie wissen?«
    »Das steht bei uns immer wieder mal in der Zeitung.«
    »Sie mir zeigen einmal … wie heißen … Matthias …«
    »Claudius.«
    »Ja, Claudius. Sie mir einmal zeigen Gedicht von ihm?«
    »Gerne.«
    »Danke.«
    Sie näherten sich einer Bus-Haltestelle mit einem Wartehäuschen, in dem sich eine Bank befand, von der eine starke Verlockung ausging. Marianne konnte derselben nicht widerstehen. Die Füße taten ihr schon ein bißchen weh. Sie steckten in leichten, flachen italienischen Sandalen, die keine Wanderschuhe waren. Marianne schlug deshalb vor, sich ein wenig zu setzen. Ihren Vorstellungen, die sie dabei hegte und die über eine bloße Rast hinausgingen, kam entgegen, daß das Wartehäuschen leer war.
    Sie setzte sich als erste. Wilhelm folgte ihrem Beispiel, und als auch er saß, sah Marianne, daß ein ziemlicher Zwischenraum zwischen ihr und ihm bestand: mindestens zwei Handbreit. Sie stellte das mit Anerkennung fest. Dann wartete sie, ob sich an dem Zwischenraum nicht doch etwas ändern würde.
    Nichts geschah. Die Distanz wurde nicht geringer.
    Marianne überkreuzte vor der Brust die Arme, legte sich die Hände auf die Schultern und rieb diese. Sie erschauerte dabei.
    Wilhelm erschrak.
    »Sein Sie schon kalt?«
    »Ein bißchen.«
    Prompt erhob er sich.
    »Dann wir müssen gehen nach Hause.«
    »Nein, so schlimm ist es noch nicht.«
    Wilhelm zögerte nicht lange und zog seine Jacke aus.
    »Was machen Sie?« fragte ihn Marianne.
    »Ich Ihnen geben für warm.«
    »Dann frieren Sie!« wehrte Marianne ab.
    Er lachte und legte ihr die Jacke um die Schultern, den Widerstand ignorierend, den sie ihm dabei entgegensetzte.
    »Sie nicht kennen meine Gewohnheit an kalt in Rußland«, sagte er und ließ sich wieder auf seinen alten Platz nieder.
    Es war ganz genau der alte Platz. Zentimetergenau.
    »Rücken Sie doch näher«, sagte Marianne.
    »Noch kalt?« fragte er.
    »Mir nicht, aber Ihnen.«
    »Nein, aber ich trotzdem tun gern, was Sie sagen.«
    »Ich möchte nicht, daß Sie sich eine Lungenentzündung holen.«
    Als die beiden nun eng zusammensaßen, Körper an Körper, wurde nicht mehr viel gesprochen. Jeder fragte sich in Gedanken, was der andere nun wohl denken mochte.
    Nach einer Weile rührte sich draußen etwas. Sie horchten. Anscheinend irgendein Tier, und richtig, ein kleiner Hund kam schwanzwedelnd herein, ein

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