Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glücklich die Glücklichen

Glücklich die Glücklichen

Titel: Glücklich die Glücklichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Reza
Vom Netzwerk:
Gesichtsnähe, auf Streichelnähe. Aber in diesem trüben, fast leeren Restaurant, wo ich unwillkürlich anfing, noch ihre kleinsten Bewegungen und den Tonfall jedes Wortes mit fiebriger Aufmerksamkeit zu beobachten, entzog sie sich, verschwand sie in einer Welt, an der ich keinen Anteil habe. Ich sagte, wenn ich hier leben müsste, würde ich mir nach zwei Tagen die Kugel geben. Odile lachte (und das Lachen kam mir ätzend und abgeschmackt vor). – Vor zehn Minuten hast du das Gegenteil behauptet. Du warst begeistert von Douai. – Ich habe meine Meinung geändert. Ich würde mir die Kugel geben. Sie zuckte die Achseln. Dann tunkte sie ein Stück Brot in die Reste der sämigen Suppe. Mir kam es vor, als würde sie sich fast langweilen. Es ging mir ja selber fast so, mich packte der Trübsinn der Liebhaber, wenn sich außerhalb vom Bett nichts mehr tut. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hörte den Regen, der zurückkehrte und ans Fenster prasselte. Odile schaute betroffen drein und sagte, wir haben den Schirm nicht mitgenommen ! Ich dachte an den Metallgießer, der mit seinen belegten Zähnen lachte, an die Organisatorin mit dem unvorteilhaften Plisseerock und, Gott weiß warum, an meinen Vater, der Karosseriebauer an der Porte de Pantin gewesen war und auf den Schlosser schimpfte, weil es durchs Glasdach regnete. Kurz war ich versucht, Odile davon zu erzählen, aber die Anwandlung dauerte nur eine halbe Sekunde. Ich sah meine Kontaktliste auf dem Handy durch und stieß auf Yorgos Katos. Und dachte, na gut, dann verlierst du eben dein letztes Hemd beim Poker, Jungchen. Ich schrieb: »Morgen Abend ein Hohlkopf am Tisch gefällig ? Hab paar Tausender zu verbrennen.« – Wem schreibst du da ?, sagte Odile. – Yorgos Katos. Hab ich dir noch nie von Yorgos erzählt ? – Nein. – Ein Kumpel, der vom Kartenspielen lebt. Einmal, vor Jahren, hat er bei einem Bridge-Turnier mit Omar Sharif gespielt. Er merkte, dass sich hinter seinem Rücken eine Horde Mädchen versammelte. Er sagte sich, die wissen genau, dass ich viel besser spiele als er. Keine Sekunde dachte er daran, dass sie vielleicht Omar Sharif von vorn sehen wollten. Odile sagte, sie sei damals in den Wüstenprinzen in Lawrence von Arabien verliebt gewesen. Für sie trug Omar Sharif einen Turban und saß auf einem stolzen Rappen, nicht an einen Bridgetisch gezwängt. Ich gab ihr vollkommen recht. Ich fühlte mich wieder leicht. Alles war wieder an seinem Platz.

Chantal Audouin
    Ein Mann ist ein Mann. Es gibt keinen verheirateten, keinen verbotenen Mann. Das existiert alles nicht (das habe ich auch Dr. Lorrain erklärt, als ich eingewiesen wurde). Wenn man jemanden kennenlernt, interessiert man sich doch nicht für seinen Personenstand. Oder für seine Gefühlslage. Gefühle sind veränderlich und vergänglich. Wie alles auf der Welt. Tiere sterben. Pflanzen. Von einem Jahr zum nächsten sind Wasserläufe nicht mehr dieselben. Nichts währt. Die Leute möchten gern an das Gegenteil glauben. Sie verbringen ihr Leben damit, die Bruchstücke zusammenzukleben, und nennen das dann Ehe, Treue oder was weiß ich. Ich belaste mich nicht mehr mit solchen Dummheiten. Ich versuche mein Glück bei dem, der mir gefällt. Ich hab keine Angst, auf die Schnauze zu fallen. Ich hab eh nichts zu verlieren. Ich werde nicht immer schön sein. Der Spiegel ist jetzt schon immer weniger schmeichelhaft. Eines Tages rief mich die Frau von Jacques Ecoupaud an, dem Minister, mit dem ich eine Affäre habe, sie wolle sich mit mir treffen. Ich war sprachlos. Sie hatte wohl in seinen Sachen herumgeschnüffelt und war dann auf einen Mailwechsel zwischen Jacques und mir gestoßen. Am Ende des Gesprächs, vorm Auflegen, sagte sie: »Ich hoffe, Sie sagen ihm nichts davon. Es wäre mir lieb, wenn das strikt unter uns bliebe.« Ich rief Jacques sofort an und sagte, ich treffe mich Mittwoch mit deiner Frau. Jacques schien bereits informiert zu sein. Er seufzte. Das Seufzen des Feiglings, das bedeutet, wenn es denn unbedingt sein muss. Paare widern mich an. Ihre Heuchelei. Ihre Selbstgefälligkeit. Bis heute konnte ich nichts gegen die Anziehungskraft tun, die Jacques Ecoupaud auf mich ausübt. Ein Verführer dieser Art Damen. Mein Gegenstück in männlich. Nur dass er Staatssekretär ist (er hat immer behauptet, Minister). Mit allem Drum und Dran. Wagen mit getönten Scheiben, Chauffeur und Bodyguard. Immer ein Tisch im Restaurant. Ich habe bei weniger als null angefangen. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher