Gluecklich, wer vergisst
lang mit Fragen gequält, bis ich ihr schließlich heulend die ganze Geschichte erzählt hatte. Nach diesem Gespräch waren wir sofort abgereist. Wir fuhren nachher nie wieder zur Sommerfrische an den Attersee.
Sommer 1979
Zu Mittag bricht sich das Sonnenlicht an der spiegelglatten Wasseroberfläche und lässt das Wasser geheimnisvoll glitzern. Nicht das leiseste Lüftchen spielt mit den Blättern der Bäume. Die Erwachsenen verkriechen sich unter ihre Sonnenschirme und unter die schweren Äste der Eichen. Ihre Gespräche versanden. Hin und wieder hört man leises Schnarchen. Nur Gisela sitzt lesend vor dem Bootshaus.
Während die anderen vor sich hindösen, beschließen Franzi und Joe, ins öffentliche Strandbad zu schwimmen.
Willi und Gustav warten bereits im Schatten des großen Sprungturms auf sie. Lassen ihre langen, dünnen Beine über dem Wasser baumeln und feuern ihre Freundinnen lautstark an, die das letzte Stück um die Wette kraulen.
Franzi erklimmt als erste die Badeleiter neben dem Turm. Willi applaudiert heftig.
„Ich hasse kaltes Wasser, deshalb schwimme ich so schnell“, sagt Franzi. Es klingt fast wie eine Entschuldigung.
„Blödsinn, du schwimmst einfach besser als ich“, sagt Joe.
Als sie alle vier um die Wette tauchen, wird Joe wieder letzte. Sie nimmt es scheinbar gelassen hin.
„Mit euch Eingeborenen kann ich nicht konkurrieren“, scherzt sie.
Als sie Kerze, Schustersitz und Köpfler vom Drei-Meter-Brett üben, ist es mit Joes Gleichmut vorbei.
„Mir reicht’s für heute“, stöhnt sie und reibt sich ihr Hinterteil. Trotz ihres Sonnenbrandes legt sie sich demonstrativ in die Sonne. Sie sieht den anderen bei ihren Sprüngen zu. Gustav gesellt sich bald zu ihr. Lädt sie auf eine Partie Tischfußball ein.
Im Wuzeln ist Joe fast unschlagbar. Nacheinander besiegt sie alle drei Freunde.
Als sich der Wind, der inzwischen aufgekommen ist, am späten Nachmittag verabschiedet und die Segler zu ihren Liegeplätzen zurückkehren, sagt Joe: „Es ist fünf vorbei. Wir müssen zurück, Franzi, sonst gibt es wieder Krach mit deiner Mama.“
Die Mädchen drücken Willi und Gustav Küsschen auf die Wangen und springen ins Wasser. Unterwegs begegnen sie ihren Eltern, die gemächlich nebeneinanderher schwimmen.
„Dass die mit all dem Kaffee und Kuchen im Bauch nicht untergehen …“, lästert Franzi. Joe steckt lachend den Kopf unter Wasser. Taucht erst nach ein paar Sekunden spuckend und hustend auf.
„Habt ihr uns was vom Zwetschkenkuchen übrig gelassen?“, ruft Franzi.
„Keine Angst, es sind noch drei Stück da“, antwortet Gisela, „und in der kleinen Thermoskanne ist heiße Schokolade für euch.“
„Sollen wir noch mal um die Wette schwimmen? Die erste kriegt zwei Zwetschkenfleck, die zweite nur einen?“, fragt Franzi ihre Freundin.
„Ich mag sowieso nichts essen. Du kannst alle drei haben“, sagt Joe mürrisch. Sie schließt sich den Erwachsenen an. Schwimmt mit ihnen auf den See hinaus.
Als Franzi aus dem Wasser kommt, sitzt Albert, vollkommen angekleidet, auf einer Liege und trinkt Kaffee. Sie geht zu ihm, schlingt gierig zwei Zwetschkenfleck hinunter. Dann nimmt sie Albert, der sich gerade Kaffee einschenkt, die große Thermoskanne weg. Setzt sie an die Lippen und leert sie in einem Zug.
Albert lächelt, sagt aber kein Wort. Bietet ihr eine von seinen Zigaretten an.
„Du glaubst, die können von dort draußen nicht sehen, dass ich rauche?“, fragt Franzi.
„Die sind alle kurzsichtig“, sagt er.
„Ist mir ohnehin scheißegal“, murmelt Franzi und lässt sich von ihm Feuer geben. Genüsslich zieht sie an der Zigarette und bläst ihm den Rauch ins Gesicht. Schweigend sitzen die beiden Geschwister nebeneinander und schauen aufs Wasser.
Joe beobachtet sie eifersüchtig, während sie zurück ans Ufer schwimmt.
„Albert, willst du dich nicht auch erfrischen? Das Wasser ist herrlich“, ruft Walpurga, als sie sich dem Ufer nähert.
Er gibt ihr keine Antwort. Steht auf, nimmt ein Badetuch von einer anderen Liege und reicht es Gisela, als sie aus dem Wasser kommt. Sie bedankt sich mit einem charmanten Lächeln.
Joe schlüpft, ohne sich abzutrocknen, in ihren Bademantel und sagt zu Franzi: „Lass uns abhauen.“
Als Franzi nicht reagiert, verlässt sie allein den Badeplatz.
3. Kapitel
Das massive Eichentor fiel hinter mir ins Schloss. Obwohl es bereits zehn Uhr vormittags war, hing dichter Nebel über der kleinen Lichtung. Ich sah kaum zehn Meter weit.
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