Gluecklich, wer vergisst
sorgenvolle Gesichter. Außerdem nahm ich an, dass Walpurga ohnehin nicht frühstücken würde, da sie nüchtern zur Kommunion antreten musste. Während ich den Kaffee trank, schaltete ich meinen Laptop ein und surfte im Internet.
Nach dem nicht gerade sehr aufbauenden Telefonat mit meinem Vater beschloss ich, mir ein Bad zu gönnen. Ich ließ heißes Wasser in die riesige Wanne mit den hübschen Messingfüßchen ein, gab ein bisschen Salz aus dem Toten Meer dazu und zog mich aus.
Verdammter Mist! Das Wasser rann nur mehr kalt aus dem Hahn. Hatte ich den Kohleofen zu wenig aufgeheizt? Die Badewanne war erst zu einem Viertel voll. Ich drehte den Hahn ab, legte mich in die Wanne und versuchte mir vorzustellen, dass mir das warme Wasser bis zum Hals reichte.
Wenn ich vor dem Ende der Messe im Goldenen Ochsen sein wollte, musste ich mich beeilen. Das Wirtshaus befand sich in der Nähe der Kirche, und ich wollte auf keinen Fall Walpurga über den Weg laufen. Ich schlüpfte in meine schwarzen Jeans, zog einen Fleece-Sweater über und eilte im Laufschritt ins Dorf.
Im Goldenen Ochsen war nicht viel los. Der offizielle Frühschoppen begann erst nach der Messe. Nur ein paar Gottlose hatten nicht auf den letzten Segen warten wollen, hauptsächlich alte Männer mit stark geröteten Gesichtern. Nur ein jüngerer Mann, ich schätzte ihn auf Anfang dreißig, saß in ihrer Mitte.
Das derbe Gelächter und die lauten Stimmen verstummten, als ich mich an einen kleinen Tisch unweit des Stammtisches setzte.
„Willst net rüberkommen, Pupperl?“, sagte einer der Alten, der mindestens vier Halbe intus hatte.
Sein Tischnachbar stieß ihm den Ellbogen in die Rippen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Als ich nicht reagierte, versanken sie in dumpfes Schweigen, starrten mich aber nach wie vor an.
Die Leute hier reden nur, wenn sie was getrunken haben. In nüchternem Zustand sind sie schweigsam, brummen oder grunzen nur, dachte ich.
Der Wirt, der sich nun meinem Tisch näherte, hatte ein professionell freundliches Lächeln aufgesetzt. „Gnä’ Frau wünschen?“
Ich bestellte eine Eierspeis und einen Kaffee und holte mir die beiden Sonntagszeitungen von der Theke. Versteckt hinter der kleinformatigen Zeitung, in der ich ohnehin keinen lesenswerten Artikel fand, spitzte ich die Ohren und hörte der illustren Runde, die sich jetzt lautstark bemerkbar machte, aufmerksam zu.
Hauptthema des Frühschoppens schien der Tod vom Fischer-Heinz zu sein. Alle schimpften über ihn. Wilde Drogengeschichten machten die Runde. Bestimmt hatte keiner dieser Herrschaften jemals auch nur an einem Joint geschnuppert, geschweige denn Kokain oder Heroin gesehen. Höchstens im Fernsehen, dachte ich.
Dann kam die Rede auf den Roither-Bauern. Keiner verstand, warum er nicht zum Stammtisch gekommen war. Sie ergingen sich in allerlei Vermutungen. Vielleicht hatte er sich gestern Nacht versoffen? Oder er war geschäftlich unterwegs? Oder er hatte ein neues Gspusi? Letztere Vermutung wurde von ordinärem Gelächter begleitet.
Ich erinnerte mich vage an den Roither-Bauern. Ein unansehnlicher Kerl mit schütterem Haar, Bierbauch und präpotentem Gehabe. Heute musste er um die siebzig sein. Laut Walpurga war er nicht nur mit Philip Mankur zerstritten, sondern auch der Erzfeind vom Fischer-Hans gewesen. Es hatte sogar einige Prozesse und jede Menge Zeitungsartikel über den „Krieg der Fischer“ am Attersee gegeben. Das hatte ich am Morgen im Internet recherchiert.
Als ein schwarzhaariger Mann mit tiefbraunem Teint die Gaststube betrat, herrschte am Stammtisch plötzlich wieder Schweigen. Der Mann stellte sich an die Theke und wartete geduldig, bis sich der Wirt endlich erhob und ihn anfuhr: „Was willst du denn hier?“
„Sie haben gesagt, ich soll Sonntag kommen.“
„In der Früh hab ich gesagt. Aber wennst net Deutsch verstehst, kannst sowieso gleich wieder gehn.“
„Sie haben gesagt, Sie suchen jemanden zum Abwaschen.“
„Schleichen sollst dich, hab ich gesagt. Siehst nicht, dass ich eine volle Gaststube hab? Ich kann dich nicht brauchen.“
Der Wirt packte den jungen Mann an der Schulter und schob ihn zur Tür hinaus.
„Arbeitsscheues Gesindel!“, schimpfte er ihm hinterher.
„Gut gemacht, Fritz“, lobte ihn einer der Gäste.
„Wenn ich diese schwarzen Teufel nur seh, krieg ich schon einen Gachen. Lauter Drogenhändler …“, mischte sich ein anderer lautstark ein.
„Und die Weiber erst! Schauen alle aus, als könnten’s
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