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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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nicht bis drei zählen, aber im Ficki-Ficki machen sind’s Weltmeister, werfen einen Gschrappen nach dem anderen …“ Seine weitere Rede ging in brüllendem Gelächter unter.
    Die braune Brut kommt aus ihren Löchern gekrochen, dachte ich.
    Der jüngere Mann, der bisher den Mund gehalten hatte, meldete sich nun ebenfalls zu Wort. Er drückte sich etwas gewählter aus als die alten Männer. „Wisst ihr überhaupt, wie viel uns diese Wirtschaftsflüchtlinge kosten? Die kassieren ein paar hundert Euro im Monat, und wer zahlt das? Wir Steuerzahler natürlich.“
    „Ja, Schmarotzer sind’s. Aber deine Partei ist halt einfach zu schwach. Ihr wolltet damals ja um jeden Preis regieren, dafür habt’s sogar euren Chef in die Wüste geschickt.
    „Du meinst wohl in den Süden“, warf der Wirt augenzwinkernd ein.
    „Der war ein klasser Haberer, Prost“, seufzte ein Alter, der sein Bierglas kaum mehr halten konnte. Der Schaum schwappte über und bekleckerte seine Sonntagshose. Er schien es nicht zu bemerken.
    „Womöglich haben diese sogenannten Asylanten auch euren Quasi-Baron auf dem Gewissen“, warf der jüngere Mann ein.
    „Raubmord meinst?“
    „Die machen nichts anderes als rauben, morden und brandschatzen.“
    „Da hast recht. Bei den Welschenbachs gibt’s bestimmt was zu holen, auch wenn die Alte nur jammert.“
    Obwohl ich den Eindruck hatte, dass sie meine Anwesenheit vergessen hatten, bemerkte ich, wie mir der jüngere Mann verstohlene Blicke zuwarf. Den Alten schien es egal zu sein, dass ich ihre Verleumdungen hören konnte. Eine Frau zählte eben nicht. Oder im Gegenteil, vielleicht versuchten sie gar, sich in ihren Hasstiraden gegen Flüchtlinge, den Fischer-Heinz und gegen die Großkopferten vom Schloss oben zu übertreffen, um mir zu imponieren?
    Ich konnte diese alte Nazi-Partie nicht länger ertragen. Mich langweilten ihre dummen Sprüche mindestens ebenso wie ihre versoffenen Visagen. Ich wollte gerade „Zahlen!“ rufen, als einer über die Baronin herzuziehen begann.
    „Meine Frau glaubt, dass ihn seine Alte auf dem Gewissen hat. Die Burgi hat den Baron schon lang satt gehabt. Das weiß eh jeder.“
    Mir war nicht ganz klar, von wem die Rede war. Meinten diese Dumpfbacken nun Philip Mankur oder Walpurgas ersten Ehemann, den Baron von Welschenbach?
    „Die hat’s früher schon mit den reichen Sommergästen getrieben …“
    „Unseren feinen Herrn Doktor nicht vergessen“, unterbrach ihn einer seiner Kumpane. Schallendes Gelächter.
    Der mit dem knallroten Säuferschädel drehte sich kurz zu mir um und krakeelte weiter: „Sie hat den Baron ins Grab gebracht, wenn nicht eigenhändig, dann haben ihm eben ihre vielen Gspusis den Garaus gemacht.“
    „Ja, die Burgi hat’s faustdick hinter den Ohren. Nach außen hin immer die feine Dame spielen, so wie ihre Mutter. Erinnert ihr euch an die Rosi?“
    „Die Rose vom Attersee“, trällerte der älteste der Männer, der aussah wie ein Hundertjähriger.
    „Ja, die Rosi war wirklich eine fesche Katz“, schwärmte ein anderer Greis. „Die Burgi war als Junge auch a Sünd wert. Wie die als Dirndl herumstolziert ist auf ihren hohen Absätzen. Unsereins hat’s nimmer kennt, obwohl wir ja miteinander in die Schul gangen sind. Die hat sich immer für was Besseres gehalten, nur weil ihr Vater Lehrer war.“
    „Oder weil’s so geile Titten gehabt hat“, lallte der Achtzigjährige.
    „Und erst dann, wie’s der Baron angestochen hat …“
    Brüllendes Gelächter, begleitet von Flüchen und derben Schimpfwörtern.
    Mir reichte es endgültig. Hier würde ich wohl kaum interessante Informationen über die beiden Todesfälle aufschnappen. Ich zahlte und verließ grußlos das Lokal.
    Auf dem Rückweg ließ ich mir Zeit. Ich brauchte dringend frische Luft, wählte deshalb den Weg durch den Wald und folgte dem Pfad, den Franzi und ich als Kinder oft gegangen waren. Hin und wieder blieb ich stehen, um zu horchen. Die lauten Stimmen und das rohe Gelächter der Betrunkenen verfolgten mich bis tief in den Wald hinein, übertönten das Knacken der Zweige und das Rascheln der kleinen Tiere im Unterholz.
    Normalerweise hätte ich stinkwütend sein müssen, doch dieses chauvinistische und faschistoide Gerede hatte mich traurig gestimmt. Mir wurde wieder einmal bewusst, dass ich in einer Art Elfenbeinturm lebte. In meinem privaten Umfeld gab es keine alten Nazis, nicht einmal konservative Menschen. Ich fühlte mich an meinem Lieblingssee vollkommen fehl am

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