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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Platz, ich war hier genauso fremd wie dieser dunkelhaarige Mann, den der Wirt vor seinen Stammgästen natürlich hatte demütigen müssen.
    Meine melancholische Stimmung wurde durch das kühle, feuchte Herbstwetter verstärkt. Die Blätter der Bäume hatten sich gelb und rostrot verfärbt. Sobald sich ein paar Sonnenstrahlen durch den dünnen Wolkenschleier wagten, überzog ein zarter goldener Glanz die sterbenden Blätter.
    Ich hatte kein Auge für diese morbide Pracht. Als sich der Wald nach ein paar hundert Metern lichtete, war ich den Tränen nahe. Ich fühlte mich fremd und sehr allein.
    Auf der kleinen Lichtung war der Weg zu Ende. Ein Maschendrahtzaun umgrenzte ein Rotwildgehege. Ich nahm einen gehörigen Umweg in Kauf, um wieder auf den Pfad zu kommen.
    Andere Leute schienen ihr Leben auch nicht besser im Griff zu haben als ich. Doch anstatt, dass mich dieser Gedanke beruhigte, hatte ich erst recht das Gefühl, davonlaufen zu wollen. Was ging mich diese ganze Tragödie hier an? Nur weil mein Vater seine Triebe nicht unter Kontrolle gehabt hatte und ich dadurch zufällig mit Franzi und Mario verwandt war, musste ich noch lange nicht bei diesem Drama mitspielen. Nach dieser Überlegung ging es mir besser.
    Sonnenlicht drang schüchtern durch die Baumreihen. Der Wald wirkte wie verzaubert auf mich. Meine Schritte auf dem von Nadeln und Moos bedeckten Boden waren lautlos. Es gelang mir sogar, in diesem Mischwald mit Fichten, Eschen, Buchen und Birken Rehe aufzuscheuchen.
    Im verwahrlosten Park an der Rückseite des Schlosses türmten sich riesige Haufen braunen Laubes, die unsichtbare Hände zusammengerecht hatten. Am liebsten wäre ich einfach weitergegangen, vorbei am Schloss, weiter hinauf in den Märchenwald. Ich fühlte mich nicht in der Lage, jetzt einem der Schlossbewohner gegenüberzutreten. Ich hatte das Gefühl, dass sich eine Mauer des Schweigens vor mir aufbaute. Und je mehr sie mit mir reden, desto mehr verschweigen sie mir, dachte ich. Alles Lügen, was ich bisher zu hören gekriegt hatte. Mario schien ein ehrlicher Kerl zu sein. Aber wer weiß, vielleicht verbarg sogar er etwas vor mir. Die Einheimischen waren immer eine verschworene Gemeinschaft gewesen. Ich hatte mir als Kind allzu gerne eingebildet dazuzugehören. Im Grunde war ich damals genauso eine Außenseiterin gewesen wie heute.
    Walpurga hatte das sonntägliche Mittagessen für vierzehn Uhr angesetzt. Mir zu Ehren hatte sie Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat gemacht. Ich stellte insgeheim fest, dass ihr Schweinsschnitzel und ihr Kartoffelsalat nicht im Entferntesten an Margaritas echtes Wiener Schnitzel vom Kalb mit Erdäpfelmayonnaisesalat heranreichten. Natürlich würde ich dieses Urteil meinem Vater, der sich für einen Gourmet hielt, sofort mitteilen.
    „Ihr habt viel Wild hier, ich habe heute jede Menge Rehe gesehen“, schnitt ich ein völlig unverfängliches Thema an. Die gereizte Stimmung beim Essen war mir nicht entgangen. Mein Magen reagierte auf Unstimmigkeiten immer nervös. Ich brachte kaum einen Bissen hinunter.
    „In der Dämmerung wagen sie sich manchmal ganz nah ans Schloss heran. Vor allem im Winter, wenn das Futter knapp wird“, sagte Mario. „Als Kind habe ich ein Kitz gehabt und die ganzen Wintermonate lang mit meinem Taschengeld durchgefüttert.“
    Mein Neffe wurde mir immer sympathischer.
    „Ich habe auch noch nirgends so viele Eichhörnchen gesehen wie hier, nicht einmal am Wiener Zentralfriedhof, und das ist ihr Lieblingsrevier, soviel ich weiß.“
    Diesen Satz hätte ich besser nicht gesagt. „Diese blöden Viecher sind eine echte Plage“, schimpfte Walpurga und bekam hektische rote Flecken im Gesicht. „Ich hätte gute Lust, die alte Schrotflinte vom Dachboden zu holen. Die Biester machen nur Mist, reißen alle Tannenzapfen ab und klauen unsere Nüsse.“
    „Sie sind so putzig“, warf ich protestierend ein.
    „Hast du eine Ahnung! Sie halten keinen Winterschlaf, verwüsten das ganze Jahr über unseren Park, fressen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Sie sind schlimmer als die Ratten. Sie sammeln zwar das ganze Jahr über Vorräte, sind aber zu dämlich, um sich zu erinnern, wo sie das Zeug versteckt haben, graben alles noch mal auf, nagen alles an.“
    „Reg dich ab, Oma, denk an deinen Blutdruck“, sagte Mario lachend.
    Auch ich musste insgeheim lachen. Als ich mir jedoch eine vor Wut schnaubende Walpurga vorstellte, wie sie mit der Schrotflinte im Anschlag auf die niedlichen Tierchen

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