Gluecklich, wer vergisst
gesehen.“
Den Rest der Fahrt wechseln alle drei kein Wort mehr miteinander. Ohne Heinz zu danken, steigen die Mädchen vor dem Schloss aus und gehen auf ihre Zimmer.
8. Kapitel
Im Schloss empfing mich Walpurga mit verweinten Augen. „Die Polizei hat heute mit Tauchern im See nach den Überresten vom Heinzi gesucht“, berichtete sie schluchzend.
„Ich weiß. Sie haben inzwischen mehrere Leichenteile gefunden, verpackt in schwarze Müllsäcke. Die meisten haben sie unten beim Badeplatz Wengermühle aus dem Wasser gefischt.“
„Verpackt in schwarze Müllsäcke?“
„Die Leichenteile waren mit Steinen beschwert, damit sie untergehen …“
„Scheußlich“, seufzte Walpurga und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Ich verstand nicht ganz, warum sie sich so echauffierte. Als wir Heinzis Kopf in ihrem Bootshaus gefunden hatten, war ihre Reaktion weniger aufgeregt gewesen. Ihr jetziger Zustand konnte nur mit Albert zu tun haben. War ihr geliebtes Söhnchen endgültig zusammengeklappt? Ich fragte sie nach ihm.
„Der arme Junge ist total fertig. Doktor Braunsperger musste ihm eine Beruhigungsspritze geben. Er will abends noch einmal nach ihm sehen. Stell dir vor, Albert war heute Vormittag zufällig unten am See spazieren, als die Polizei einen Unterarm vom Heinzi aus dem Wasser gefischt hat. Er dürfte beim Anblick des Armes in Ohnmacht gefallen sein. Der junge Polizist, der letztens bei uns war, hat ihn in einem Polizeiauto nach Hause gebracht. Ich verstehe nicht, warum sie ihn so nahe rangelassen haben. Die wissen doch, wie sensibel mein Junge ist. Warum sperren sie nicht alles ab?“
„Haben sie längst.“
Doch sie erwartete keine Antwort. „Albert hat sich sofort hingelegt. Ich habe ihm ein paar Brote geschmiert und einen Tee gekocht. Als ich vorhin nach ihm geschaut habe, hatte er beides nicht angerührt. Nachher hat er mich nicht mehr in sein Zimmer gelassen. Ich mache mir große Sorgen um ihn. Selbst wenn Albert in den letzten Jahren kaum mehr mit dem Heinzi Kontakt gehabt hat, so war er doch sein einziger Jugendfreund.“
Nicht schon wieder lügen, liebe Walpurga, dachte ich. Albert hatte uns doch ganz etwas anderes erzählt.
Es läutete. Walpurga zuckte zusammen und wurde ganz blass.
„Wer kann das sein?“, flüsterte sie aufgeregt.
Ich ging zum Eingangstor. Ein großer, älterer Herr, bekleidet mit Steirerhut und Lodenmantel, stand vor der Tür.
„Doktor Braunsperger“, stellte er sich vor. „Sie müssen Joe sein. Sie sehen Ihrer Frau Mama sehr ähnlich. Sie erinnern sich bestimmt nicht mehr an mich.“
Ich erinnerte mich wirklich nicht an ihn, wusste jedoch inzwischen ein wenig über ihn Bescheid.
„Legen Sie bitte ab. Walpurga erwartet Sie bereits“, sagte ich und führte ihn in den Salon, so, wie das Dienstmädchen oder der Butler es vor vielen Jahren gemacht hätten. Am liebsten hätte ich zu Walpurga gesagt: Hier ist dein Lover, er wird dich besser trösten können als ich. Ich verkniff mir jedoch diese Bemerkung, setzte mich kurz zu ihnen und kostete ein paar der Köstlichkeiten, die ich nachmittags in dem Vöcklabrucker Supermarkt gekauft hatte. Nach einer Viertelstunde ließ ich die beiden allein und verzog mich in die Küche, wo ich weiter naschte. Essen beruhigt mich normalerweise.
Wortfetzen drangen bis zu mir. Ich hatte die Tür absichtlich offen gelassen, um zu überprüfen, ob man die Gespräche im Salon in der Küche mithören konnte. Ich verstand jedoch nicht wirklich, worüber sie redeten, verlor bald das Interesse und ging in mein Zimmer.
Draußen heulte der Wind. Zweige kratzten an den Fensterscheiben. Ich steckte den neuen Heizstrahler an und entzündete ein Feuer im Kamin, mehr wegen der tröstenden Stimmung, die das knisternde Holz verursachte, als wegen der Wärme. Ein Kaminfeuer erschien mir ein wirkungsvolles Mittel gegen meine Einsamkeit zu sein. Ich beschloss, mir in meiner Wohnung in Wien einen offenen Kamin zuzulegen.
Das Knacken der Holzscheite und das Zucken der Flammen vermittelten mir die Illusion, Gesellschaft zu haben, nicht ganz allein zu sein. Diese traute Stimmung hielt jedoch nicht lange an. Unwillkürlich musste ich an meinen Besuch bei Franzi und an die grauslichen Leichenteile denken. Ich fühlte mich so niedergeschlagen wie schon lange nicht mehr. Zwei ungeklärte Todesfälle und eine Freundin, nein Schwester, die als Täterin verdächtig war. Die zerstückelte Leiche ging mir nicht aus dem Kopf. Wenn es mir nicht gelang, mich
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