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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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noch vor der Dunkelheit. Ich habe höchstens Angst vor den Menschen und davor, was sie wohl von mir denken. Selbst ein zu lautes Lachen oder ein zu langes Schweigen in Alberts Gegenwart ist mir unangenehm. Fürchte ich seine Verachtung mehr, als von ihm beachtet zu werden? In den seltenen Momenten, in denen er mir Beachtung geschenkt, seinen Blick oder gar das Wort an mich gerichtet hat, habe ich mich jedes Mal fast überwältigt gefühlt .
    Joe klappt ihr Tagebuch zu. Wischt sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln und beginnt wieder zu rudern.
    Die Ruder tauchen fast lautlos in das ruhige Wasser ein. Bald hält sie erneut inne. Steckt die Ruder in die Stützen. Setzt sich auf den Boden des Bootes, klappt ihr Tagebuch auf, schreibt mit der rechten Hand weiter und lässt die linke Hand zwischen ihre Beine gleiten.
    Ich möchte mit Albert im weichen Moosbett liegen, mitten im Schwammerlwald, nahe beim Schloss. Sonnenstrahlen umspielen unsere nackten Körper. Meine Hand tastet über seine fast unbehaarte Brust. Ich streichle seinen flachen Bauch. Berühre die Innenseiten seiner Schenkel. Und dann küsse ich ihn. Und er denkt, während er meinen Kuss erwidert, an Gisela. Stellt sich vor, wie er ihre großen, weichen Brüste streichelt … Ich muss aufhören, dauernd an meine Mutter zu denken. Eines Tages werde hoffentlich auch ich so schön und begehrenswert sein wie sie .
    Joe legt das Buch auf den Boden des Bootes, schaltet die Grubenlampe aus und konzentriert sich auf ihren Körper. Die Bewegungen ihrer Finger werden heftiger. Ihre Schenkel beben. Sie beginnt zu stöhnen. Mitten am See, allein in dem großen Ruderboot. Keiner kann sie sehen. Keiner kann sie hören.
    Plötzlich scheint die Realität sie einzuholen. Sie knipst die Lampe an und schreibt noch ein paar Zeilen in ihr kleines schwarzes Buch:
    Ich habe in meinem Traum nicht Alberts Körper liebkost. Es war ein anderer, muskulöserer Männerkörper. Ein jugendlicher Körper. Gustavs Körper?
    Als das Signal der Sturmwarnung am Westufer heftig zu blinken beginnt, schreckt sie auf. Die dunklen Wolkenvorhänge verwandeln das geschwärzte Gewässer in gleißendes Dunkelgrau. Das Unwetter ist nahe.
    Sie greift nach den Rudern. Befreit sie aus den Stützen und rudert, so schnell sie kann, zurück ans Ufer.

9. Kapitel
    Ich hatte schlecht geschlafen, war nach drei Stunden aufgewacht und hatte nachher kein Auge mehr zugetan. Das Gespräch mit Albert hatte mich den Rest der Nacht wach gehalten. Um sechs Uhr früh hatte ich es endgültig satt, mich auf dem klammen Laken hin und her zu wälzen. Früh aufzustehen hatte immerhin den Vorteil, den anderen beim Frühstück nicht begegnen zu müssen. Ich wollte morgens meine Ruhe, ich hasste es, in aller Herrgottsfrüh zuhören oder gar reden zu müssen.
    Unwillkürlich musste ich an die täglichen morgendlichen Streitereien mit meiner Mutter denken. Während meiner Schulzeit war ich morgens nicht aus dem Bett zu kriegen gewesen. Und wenn ich endlich aufgestanden war, hatte ich verdammt schlechte Laune gehabt. Ich war ein richtiger Morgenmuffel gewesen.
    Genüsslich rauchte ich auf der Terrasse meine erste Zigarette, obwohl ich mit Jan immer schimpfte, wenn er sich vor dem Frühstück eine anzündete. Keine andere Zigarette wäre so schädlich wie eine Zigarette auf nüchternen Magen, hatte meine Mutter immer behauptet.
    Aber in diesem Haus hatte man keine Chance, die Morgenstunden allein zu genießen. Ich telefonierte gerade mit meinem Jugendfreund Willi, als Walpurga, die den Tisch im Salon bereits gedeckt hatte, herauskam und fragte, ob ich zu meiner Zigarette eine erste Tasse Kaffee trinken möchte. „Oder möchtest du lieber Tee?“
    Ich schüttelte den Kopf, machte meine Zigarette aus, griff nach der Kaffeekanne, die sie in der Hand hielt, und folgte ihr in den Salon.
    In den Morgennachrichten von Radio Oberösterreich brachten sie gerade den Wetterbericht. In den Tälern und den oberösterreichischen Seengebieten würde der Nebel heute nicht aufgehen. Für über achthundert Meter versprachen sie herrlich sonniges Bergwetter. Ideale Bedingungen also für eine Wanderung.
    „Ich möchte heute auf den Hochlecken gehen. Hier kann ich sowieso nichts mehr tun außer warten. Mein Vater wird morgen eintreffen. Dann werden wir uns gemeinsam um einen Anwalt für Franzi kümmern. Übrigens wird auch mein Freund, Major Serner von der Kripo Wien, mitkommen. Er ist ein erfahrener Kriminalbeamter und wird vielleicht noch andere

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