Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
Vom Netzwerk:
Wasserflaschen mit frischem Quellwasser nach, bevor wir den zunehmend steiler werdenden Aufstieg in das Aurachkar angingen. Der steinige Weg und die vielen Baumwurzeln und Äste ließen uns nur langsam weiterkommen. Walpurga geriet bald außer Atem. Warum musste sie auch andauernd reden?
    Sie brachte die Sprache auf Mario. Sie hatte ihm nicht verziehen, dass er gestern, gegen ihren Willen, seine Bar aufgesperrt hatte.
    „Franzi hat Mario sehr verwöhnt. Sie hat ihm nie einen Wunsch abschlagen können, hat ihn wie einen kleinen Prinzen behandelt. Das hat dem Jungen nicht gut getan. Er ist fast so größenwahnsinnig wie sein … Vater!“ Sie schenkte mir einen ängstlichen Blick, den ich leider deuten konnte. Sofort tauchte wieder der nackte Männerhintern im Bootshaus vor meinen Augen auf.
    „Die Renovierung der Orangerie hat uns ein Vermögen gekostet. Dabei schläft er ohnehin die meiste Zeit in seiner Wohnung am See. In der Orangerie feiert er feuchtfröhliche Partys …“
    Die dicke Nebelsuppe hatte sich aufgelöst. Die ersten Sonnenstrahlen trafen die Baumwipfel. Vereinzelt zogen noch Nebelschwaden vorüber. Zarte Fichten und kleine Zirben säumten jetzt unseren Weg.
    Ein älterer Herr kam uns forschen Schrittes entgegen. Die alte speckige Lederhose und der Hut mit der Feder verrieten den Einheimischen. Er lüftete seinen Hut, begrüßte uns mit einem knappen „Grüß Gott“, und schon war er wieder aus unserem Blickfeld verschwunden. Ich beneidete ihn. Er hatte die ganze Plackerei bereits hinter sich. Bestimmt war er in aller Herrgottsfrüh aufgebrochen.
    Durch enge Latschengassen ging es steil bergauf. Beim St.-Georgs-Bründl entledigten wir uns unserer Jacken und Pullover, stopften sie in die Rucksäcke und erfrischten uns.
    „Du musst mehr trinken“, sagte ich. Walpurgas Mineralwasserflasche war fast voll, während ich meine Flasche an der Quelle nachfüllte.
    „Das sagt Franzi auch immer. Wir alten Leute haben nicht mehr so viel Durst.“ Trotzdem nahm sie brav einen kräftigen Schluck zu sich.
    Langsam gingen wir weiter. Der Wald lichtete sich. Die Sonne brannte erbarmungslos auf uns nieder. Rechts von uns dehnte sich die Schotterreise aus.
    Walpurga, krebsrot im Gesicht, stapfte hinter mir den schmalen Pfad hinauf. Wahrscheinlich strengte sie die Wanderung mehr an, als sie zugeben wollte.
    Sie hielt sich aber recht wacker, nur manchmal entkam ihr ein leises Stöhnen. Um sie von den Strapazen abzulenken, erzählte ich ihr kurz von meinem Besuch bei Franzi, wie es im Gefängnis aussah und dass Franzi abgenommen hatte, weil das Essen so miserabel war.
    „Ein Gefängnis ist kein Luxushotel“, sagte Walpurga lakonisch.
    Das hätte sie besser nicht gesagt. Sofort spürte ich wieder diese Wut, die jedes Mal hochkam, wenn sie schlecht über ihre Tochter sprach. Mir war bewusst, dass diese Wut mehr mit mir und meiner Sehnsucht nach einer idealen Mutter zu tun hatte als mit meinem Mitgefühl für Franzi. Trotzdem ging ich automatisch etwas schneller und freute mich, als ich Walpurgas schweren Atem hinter mir vernahm. Ich verstand nicht, warum sie ihre Tochter bisher nicht besucht hatte.
    Doch ich konnte mir darüber nicht länger Gedanken machen, sondern musste mich auf den Weg konzentrieren. Oberhalb der Schotterreise führte er in einen Felsen hinein. Eine kleine Kletterpartie war angesagt.
    Mein Rücken schmerzte. Die schmalen Riemen des alten Rucksacks wetzten meine Schultern wund. Meine Lunge gab eigenartige Töne von sich. Was für eine Schnapsidee von mir, nur um der angespannten Atmosphäre im Schloss zu entkommen, auf den Hochlecken zu klettern!
    Als wir endlich auf einem kleinen Plateau angekommen waren, schlug ich eine kurze Rast vor. Mit einem dankbaren Lächeln, wie mir schien, ließ sich Walpurga neben mir auf einem Stein nieder.
    „Wenn die Sonne im Oktober rauskommt, ist sie meist kräftig und brutal“, sagte sie und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
    Schweigend verzehrten wir unsere Jausenbrote und zum Nachtisch die beiden Äpfel, die wir mitgenommen hatten. Ich versuchte, mich an dem gewaltigen Panorama zu erfreuen.
    „Normalerweise spüre ich meine Knie nur beim Bergabgehen“, sagte Walpurga verschämt. Aber jetzt pocht und sticht es schon eine ganze Weile.“ Sie deutete auf ihr rechtes Knie.
    „Arthritis?“
    „Ja.“
    „Warst du bei einem Arzt?“
    „Heinrich meint, es wäre ein ganz normaler Abnützungsprozess in meinem Alter.“
    „Doktor

Weitere Kostenlose Bücher