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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Hand.
    „Was ist los?“, fragt er irritiert.
    „Gehst du heute Abend mit uns ins Dirty Dancing, Bruderherz?“, säuselt sie. „Wir brauchen einen volljährigen Begleiter, sonst kommen wir nicht rein.“
    Sein „Nein“ klingt richtig entsetzt.
    „Warum denn nicht?“, fragt Franzi schmollend. „Was ist schon dabei? Du kannst ja gleich wieder abhauen. Musst uns nur hineinbringen.“
    „Du weißt, dass ich dieser Aufsteiger-Musik aus den amerikanischen Vorstadt-Ghettos nichts abgewinnen kann. Discofreaks verherrlichen Luxus und Hedonismus. Das ist nichts für mich.“
    „Lass ihn. Er ist und bleibt ein Snob!“ Franzi sieht ihren Bruder verächtlich an und springt auf.
    „Ich werde halt Gustav fragen. Er ist sechzehn und darf immerhin bis Mitternacht in einer Disco bleiben. Aber du hältst den Mund. Versprochen?“, beschwört sie ihren Bruder.
    Albert versteckt sich hinter seiner Lektüre.
    Sie geht zum Telefon. Gustav scheint abzuwinken. Nicht einmal Franzis Bemerkung, dass Joe ganz wild darauf wäre, endlich diesen berühmten Tanzpalast in St. Georgen von innen zu sehen, kann ihn umstimmen.
    „Willi brauche ich erst gar nicht zu fragen“, sagt sie leicht deprimiert zu Joe. „Dieser Hosenscheißer traut sich bestimmt nicht. Du wirst mit mir vorlieb nehmen müssen. Wir können nur beten, dass sie uns reinlassen und uns nicht schon um zweiundzwanzig Uhr wieder rauswerfen. Vielleicht sollte ich vorsichtshalber das Geburtsjahr in meinem Pass ändern?“
    „Auf keinen Fall. Am besten, wir lassen unsere Ausweise zuhause. In Wien gehe ich so gut wie nie in Discos“, sagt Joe mit einem Blick auf den lesenden Albert. „Meine Klasse hat sich letztes Jahr in zwei Fraktionen gespaltet: Die Punks und die Disco-Fans. Ich gehöre keiner der beiden Gruppen an, aber die Punks sind mir immer noch sympathischer.“
    „Ach, deswegen die orange Strähne in deinem Haar. Finde ich geil“, sagt Franzi. „Bei uns gibt’s so gut wie keine Punks. Im Kinocafé in Lenzing haben wir die einzigen drei Typen gesehen, die in Wien eventuell als Punks durchgehen würden. Alle anderen Burschen hier am See sind nett und adrett gekleidet. Du befindest dich eben in der tiefsten Provinz.“
    Als Franzi im zugigen Warteraum des Bahnhofs St. Georgen ihre Umhängetasche auszupacken beginnt und sich innerhalb von ein paar Minuten in ein flottes Punk-Girl verwandelt, ist Joe sichtlich überrascht.
    Sie streicht über Franzis superkurzen schwarzen Minirock und fragt: „Echt Leder?“
    „Nein, wo denkst du hin. Aber sieht doch echt aus, oder?“
    Das schwarze T-Shirt, das Franzi überzieht, sitzt hauteng und hat ein atemberaubendes Dekolleté. Die schwarze Netzstrumpfhose mit den vielen Löchern und die schwarzen Schnürstiefeletten überraschen Joe dann nicht mehr. Sie ist froh, auf Franzis Rat gehört und ihre schwarzen, abgewetzten Jeans und ihr altes verwaschenes T-Shirt mit der Aufschrift: „Go to hell“ angezogen zu haben. „Mit mir musst du dich heute nicht genieren, oder?“, fragt sie kokett.
    Franzi drückt ihr einen Kuss auf die Wange. Kramt in ihren Schminksachen herum und besteht darauf, dass Joe zumindest ihren dunkellila Lippenstift ausprobiert.
    „Wie sehe ich aus?“, fragt Franzi, als sie mit dem Schminken fertig ist. Sich mit einem Filzstift sogar eine knallgrüne Strähne im Haar verpasst hat.
    „Unglaublich. Deine Mama würde glatt einen Herzinfarkt kriegen“, kichert Joe. Hängt sich bei ihrer Freundin ein und spaziert mit ihr zu St. Georgens berüchtigter Disco.
    Kurz vor dem Eingang bleiben sie stehen. Franzi sieht Joe unsicher an.
    „Ich habe keine Ahnung, ob sie einen Türsteher haben. Ich war noch nie im Dirty Dancing“.
    „Wir kommen schon rein“, sagt Joe selbstbewusst und zieht Franzi hinter sich her. Sie ist sichtlich froh, endlich mal einen Abend allein mit ihrer Freundin verbringen zu können.
    Sie schaffen es, ohne Probleme und ohne Ausweiskontrolle das Lokal zu betreten. Die zu einer Diskothek umgebaute Scheune ist auf den ersten Blick eine einzige Enttäuschung für Joe. Der Raum ist niedrig, total verraucht und schlecht beleuchtet. An der Theke hängen ein paar alte Männer.
    „Mindestens vierzig“, konstatiert Joe missbilligend.
    Zwei aufgedonnerte Blondinen um die fünfunddreißig stellen sich auf der Tanzfläche zur Schau. Joe amüsiert sich über ihre komischen Verrenkungen zu den abgedroschenen Schnulzen aus „Saturday Night Fever“.
    Blaue, gelbe und grüne Spots flackern durch den

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