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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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habe Angst vor dem, wovor jeder Angst hat.«
    Er lachte. Seine Begriffsstutzigkeit erschien ihm komisch. »Wovor zum Teufel hat jeder Angst?«
    Sie verzog das Gesicht, als hätte er sie mit einem spitzen Gegenstand gepiekt. »Naja …« Sie zögerte. »Wovor hast du Angst?«
    Er wollte sagen: dass mein Penis nicht funktioniert oder zu gut funktioniert – aber so weit ging seine Wahrheitsliebe dann doch nicht. »Ich zuerst, hm?«, versuchte er Zeit zu schinden.
    Darüber lachte sie fröhlich. »Ja. Du zuerst.«
    »Dass du mich nicht magst … du weißt schon …« Und mit Schamesröte im Gesicht nickte er zum kürzeren Teil des L-förmigen Raums hin, der fast völlig von ihrem riesigen Bett ausgefüllt war.
    Sie blinzelte verdutzt. Nicht einmal, nicht zweimal. Nein, dreimal, als wäre ihr Gehirn eine Registrierkasse, die die Summe seiner Worte nicht ausspucken wollte. »Du meinst …« Und der Zweifel an der Richtigkeit dessen, was sie nun sagen würde, stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben: »Sex?«
    Dieser Gedanke hatte ihr offenbar so ferngelegen, dass Enrique daraus nur schließen konnte, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben, indem er überhaupt auf dieses Thema zu sprechen gekommen war.
    »Warum?«, fragte sie mit ihrer verblüffenden Fähigkeit, direkt von taktvollem Mitgefühl auf kühlen Sarkasmus umzuschalten: »Hast du irgendwas Abstoßendes an dir?« Sie schien ihre harsche Reaktion sofort zu bereuen. »Deine Küsse sind jedenfalls nicht abstoßend«, ergänzte sie, küsste ihn, um ihn zu versöhnen, ausgiebig auf die Lippen und gab einleises, genüssliches Schnurren von sich, ehe sie sich wieder zurücklehnte und ihre Frage wiederholte: »Warum hast du Angst davor, mit mir ins Bett zu gehen?«
    Sie hatte ihre Fassung schnell wiedergewonnen, aber er hatte gesehen, dass ihre erste Reaktion verächtlich gewesen war, was ihn nun regelrecht in Panik versetzte. Sein Gehirn suchte fieberhaft nach einer plausiblen Ausrede. Heraus kam paradoxerweise die Wahrheit: »Ich bin so nervös, weil es unser erstes Mal ist und ich dich so sehr liebe, dass ich Angst habe, ich kriege keine Erektion und du wirfst mich raus und ich sehe dich nie wieder, und das wäre« – seine Stimme zitterte – »so verdammt schrecklich.«
    Wie er befürchtet hatte, wurde sie blass. So etwas Grässliches war ihr noch nie passiert. Verwunderung und Enttäuschung standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Vor wenigen Stunden erst hatte sie ihn dafür gerühmt, ein Mann unter lauter Jungen zu sein, und jetzt gestand er ihr in piepsigem Jammerton seine – ja, das war ein ausgezeichnetes Wort dafür, treffend und wahr in vielerlei Hinsicht –, seine Impotenz. Er sah ihr in die Augen, blau funkelndes Erstaunen, und begriff, dass er einen fatalen Fehler begangen hatte. »Ich glaube, ich gehe lieber«, murmelte er, den Blick aufs Parkett gesenkt.
    Sie hing an ihm, bevor er wieder aufblicken konnte. Sie drängte sich in seine Arme, küsste seinen Hals, seine Lippen, sein rechtes Augenlid, das er gerade noch rechtzeitig schließen konnte, küsste sich dann über seine Stirn hinüber zum linken Auge, der linken Wange und landete wieder auf seinen Lippen, wo sie innehielt und ihm als heißen Luftstrom in den Mund hauchte: »Du brauchst das nicht zu sagen.«
    Ihre Augen waren so nah, groß und tief von Gefühl, dass er seine Konturen nicht mehr spürte und in sie hineinfiel und zu ihr sprach, als ob sie eine Person wären und diese Gedanken teilten: »Aber es stimmt«, sagte er. Es wäre schrecklich,sie nie wiederzusehen, dachte er und war sich nicht sicher, ob er den Gedanken laut ausgesprochen hatte, also sagte er: »Es wäre schrecklich, dich nie wiederzusehen.«
    »Du wirst mich wiedersehen«, flüsterte sie und küsste ihn entschlossen, wanderte dann weiter hinunter und biss ihn so fest in den Hals, dass er fast aufgeschrien hätte. Sie erschien wieder in seinem Gesichtsfeld, füllte es ganz aus und sagte: »Aber tu mir einen Gefallen. Sag das nie mehr, außer du meinst es. Außer du meinst es wirklich ernst.«
    »Ich versteh dich nicht«, platzte Enrique heraus, außerstande zu denken, während ihn das Licht ihrer Augen fast blendete.
    »Wir werden uns wiedersehen. Mach dir deswegen keine Sorgen. Und auch nicht wegen dem Sex. Aber das« – sie legte in dieses Wort die ganze Verachtung, die Impotenz nun mal verdiente –, »sag das bitte nur, wenn du es wirklich meinst.«
    Hoffnungslos verwirrt fragte Enrique: »Ich soll nicht

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