Glückliche Ehe
jedoch aufs beste durch ein gelassenes Lächeln und einen festen Blick. »Ich bin Enrique Sabas.« Andererseits glaubte er auch, dass es eines Tages überflüssig sein würde, zu erklären, wer er sei, wenn er sich mit diesem Namen vorstellen würde.
»Oh, klar, ich weiß, wer du bist«, sagte der ungehobelte Dunkelhaarige, als er die Tür hinter Enrique schloss, undbestätigte damit, dass Enrique bereits auf dem besten Weg zu diesem Ziel war. »Du bist das Wunderkind, das Bernard im Nacken sitzt, stimmt’s? Du hast schon mit zwölf oder so ein Buch veröffentlicht, richtig?«
Fünf Jahre war Enrique ein Wunderkind gewesen. Zuerst hatte er erwartet, dass ihm die Welt rückhaltlos zujubelte. Diese Illusion war schnell und gewaltsam gestorben. Dann hatte er sich gegen die Spötteleien, die Ressentiments und die offene Feindseligkeit, die ihm begegneten, zur Wehr gesetzt. Diese kämpferische Haltung hatte ihm aber auch nicht viel genützt, da es nun mal sein Lebensziel war, von aller Welt bewundert und bedingungslos geliebt zu werden. Um dies zu erreichen, verstand er sich inzwischen darauf, blitzschnell seine Schilde zu erheben, seinen Degen unterm Umhang zu ziehen und gleichzeitig alles zu tun, um die Situation zu entschärfen und den Kampf zu vermeiden. Was nicht Feigheit war, sondern eine Geste der Mitmenschlickeit. Er glaubte nicht, dass ein gutaussehender Pfau – selbst einer wie dieser hier, mit einem schmucken Bart und der Stimme eines Kriegers – ein ebenbürtiger Gegner für ihn war, wenn er seinem Zorn freien Lauf ließ.
»Ich bin nur noch ein altes Exwunderkind«, sagte Enrique und reichte die Tüten mit den Weinflaschen Margaret, die, kreisrunde, rote Flecken auf den sommersprossigen weißen Wangen, in ihrer Schuhschachtel von Küche stand und in einem großen Aluminiumtopf mit köchelnder roter Soße rührte. Sie drehte sich um, den Holzlöffel in der Hand, ihre blauen Augen strahlten, und sie lächelte das fröhlichste Zahnlückenlächeln, das er je bei einer erwachsenen Frau gesehen hatte. Er war erschöpft, durchgeschwitzt und verunsichert, doch er spürte ihre freudige Energie. Die ganze beschwerliche Welt, einschließlich aller lästigen Rivalen, schien neben ihnen zu versinken. Enrique hörte sich mit einer Selbstsicherheit, die ihm eben noch ganz und garunvorstellbar gewesen wäre, zu Margaret sagen: »Ich verstehe nichts von Wein, aber ich habe diesen hier genommen – dir zu Ehren.«
Dieses charmante kleine Fechtmanöver hatte er locker und anmutig hinbekommen, doch er ließ seinen Degen sinken, als er bemerkte, dass Margaret fragend die Stirn runzelte. »Was?«, fragte sie ein wenig ungehalten. Plötzlich fehlte ihm der Mut, sein romantisches Wortspiel zu erklären.
Der Krieger mit dem adrett gestutzten Bart nahm statt Margaret die Einkaufstüten entgegen und zog eine der Margaux-Flaschen heraus. Mit der Miene eines Mordermittlers studierte er das Etikett. »Ah, Margaux.« Er sah Enrique an. »Sehr witzig«, bemerkte er. »Kapiert?«, fragte er in Margarets Richtung. Er reichte Enrique nicht die Hand, weil er mit den Weinflaschen beschäftigt war, aber er sagte: »Ich bin Phil.« Er sah zur Decke hoch und verkündete: »Moment mal. Ist ›Margaux‹ wirklich französisch für ›Margaret‹?« Enrique bemerkte, dass dieser bärtige, dunkelhaarige Tiger mit dem hageren Gesicht und dem markanten Kinn blaue Augen hatte. Nicht zu vergleichen mit Margarets riesigen, veilchenblauen Strahlern: Die Augen des Kriegers waren blass, fast schon farblos, und blickten permanent skeptisch. »Hey, Sam«, rief Phil zum Esstisch hinüber, wo ein weiteres Exemplar dieser selbstbewussten Spezies Mann saß. Sam war gerade damit beschäftigt, Lily zu erheitern. Ihr entzücktes helles Lachen ließ Enrique vor Eifersucht zusammenzucken, obwohl sie gar nicht das Objekt seiner Begierde war. Bestürzt sah er Phil seinen Margaux schwenken, als handelte es sich um ein Beweisstück in einem Mordprozess. Wenn an der Wahl des Weines irgendetwas dumm oder peinlich war, würde es jetzt öffentlich enthüllt werden. »Du kannst doch Französisch. Heißt Margaret Margaux? Oder Marguerite?«
»Marguerite«, antwortete Sam so gelangweilt und obenhin, als wäre die Frage unter seiner Würde. Er hattekrauses Haar und kein Kinn. Er war groß, größer als Enrique vielleicht, obwohl das schwer feststellbar war, weil er zurückgelehnt in einem grauen Klappstuhl hing, den er vom Glastisch an die Fensterbank gerückt hatte, so dass
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