Glücksboten
einziger lebender Verwandter«, entgegnete Roger sanft. »Sie wird mir alles hinterlassen, jetzt, da sie von mir weiß. Es ist nur recht und billig, nur das, was sie für recht hält.« Perdita brachte ihren Arm schnell außer Reichweite, bevor er ihn streicheln konnte. »Aber keine Bange, ich werde dir das Land überlassen, das du für deine Pflanzen benutzt, obwohl ...« Er schüttelte kläglich den Kopf, als lägen diese Dinge nicht in seiner Macht. »Obwohl ich mir sicher bin, ich könnte eine Bebauungsgenehmigung dafür bekommen.«
Perdita befeuchtete sich die Lippen und hockte sich auf eine Holztruhe. Ihre Lippen waren blass vor Entsetzen, und ihr Herz begann in ihrer Brust zu hämmern. Sie wusste, dass ihre Knie unter ihr nachgegeben hätten, hätte sie versucht aufzustehen. »Roger ...«
»Ich weiß, sie hat dich in dem Glauben gelassen, du hättest ein Recht auf ihren gesamten Besitz, aber ich bin ihr eigen Fleisch und Blut, du bist nicht einmal ihre Patentochter.« Er gab ihr Zeit, das zu verdauen. »Und sie bedauert bereits von Herzen, wie die Familie meiner Großmutter meine Mutter behandelt hat.«
Perdita fühlte sich immer noch schwach. Wie konnte jemand so habgierig sein?« Oh, ich weiß«, erklärte sie in dem Bemühen, möglichst normal zu klingen. »Sie hat es mir erzählt.«
»Was hat sie dir erzählt?«
»Dass es ihr Leid tue, wie man deine Familie behandelt hat, und dass sie die Dinge richtig zu stellen gedenke.«
Er nickte. »Sie hat einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Aber wird sie ihn auch in die Tat umsetzen?«
»Worauf genau spielst du an?«
Er machte eine kleine ungeduldige Handbewegung. »Ich meine, wird sie sich dazu überwinden, ihr Testament zu ändern? Als sie es aufsetzte, kann sie nichts von meiner Existenz gewusst haben.«
»Wenn sie ihr Testament ändern möchte, wird sie es tun. Sie ist nicht gaga, weißt du?« Perdita versuchte, ihren Schock und ihre Verwirrung zu verbergen, in die sich starker Zorn mischte.
»Ich weiß, für dich kommt das wie ein Blitz aus heiterem Himmel, aber ich werde dafür sorgen, dass du zurechtkommst. Ich weiß, es ist eine Enttäuschung für dich, nachdem du jahrelang geglaubt haben musst, sie habe sonst niemanden, dem sie ihr Geld hinterlassen kann ...« Diesmal bekam er ihr Handgelenk zu fassen und liebkoste es mit den Fingern. »Weißt du übrigens zufällig, wo sie es aufbewahrt? Ihr Testament?«
Perdita zog die Hand weg und schüttelte den Kopf. Sie hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, war sich aber nicht sicher, und sie wollte bestimmt nicht, dass Roger es in die Hände bekam. Wie konnte er es wagen anzunehmen, sie habe ihr Leben deshalb mit Kitty verbracht, weil sie auf ihr Geld spekulierte? »Ich fürchte, ich habe nicht den blassesten Schimmer. Es liegt wahrscheinlich auf der Bank oder so. Aber was bringt dich auf den Gedanken, dass sie früher nichts von dir gewusst hat? Wenn meine Mutter von dir wusste, warum sollte Kitty nicht auch etwas gewusst haben?«
»Möglich ist es natürlich, aber ich fürchte, ich kann das Risiko nicht eingehen.« Er wischte sich den Staub von den Händen. »Wir wollen doch nicht, dass Tante Kittys Wünsche ignoriert werden, weil wir das Testament nicht finden konnten.«
Perdita knirschte mit den Zähnen, um nicht laut herauszuschreien, dass Roger Kitty besser nicht noch einmal als Tante bezeichnen sollte, weil sie in dem Fall keine Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen könne.
»Ich weiß, du wirst tun wollen, was Recht ist, und wenn du mir hilfst, überlasse ich dir irgendetwas, an dem du besonders hängst. Ich bin nicht habgierig, ich möchte nur das, was von Rechts wegen mir gehört.« Er streckte die Hand aus und drückte Perditas Oberarm.
»Gehen wir nach unten«, bat Perdita heiser. »Ich brauche einen Drink.«
Irgendwie kam sie mit einem Anschein von Normalität durch den Abend. Sie hätte um ein Haar Beverley und Kitty erzählt, dass Lucas nahe daran gewesen sei, der ganzen Welt zu erzählen, dass sie einmal verheiratet gewesen waren. Aber die ganze Zeit über kaute ihr Gehirn an Rogers Enthüllungen über sich selbst und seine Motive. Sollte sie Kitty erzählen, was passiert war? Wäre Kitty gesund und munter gewesen, hätte Perdita keine Sekunde gezögert. Aber Kitty war nicht gesund und munter, und wenn sie Roger alles hinterlassen wollte, war das ihr gutes Recht. Schließlich war er ein Blutsverwandter, und Perdita hatte gewiss nicht das Gefühl, auf irgendetwas
Weitere Kostenlose Bücher