Glücksboten
Sie würde nicht wegziehen - es sei denn, das Land, das sie für Bonyhayes Salads benutzte, wurde ihr genommen.
Immer noch absolut ruhig, fragte Perdita sich, welche Kitty sie am meisten vermissen würde: die weise alte Frau, die sie stets unterstützt hatte, die Ratgeberin und Trösterin oder die witzige, interessante Freundin. Sofort wurde ihr klar, dass es ihre Freundschaft war, die die größte Lücke hinterlassen musste. Jetzt, da Kitty wirklich tot war, würde Perdita wahrscheinlich vollends erwachsen und unabhängig werden. Aber mit wem sollte sie in Zukunft lachen, wen ihre schneidenden kleinen Bemerkungen hören lassen? Bemerkungen, die zu machen sie sich vor jedem anderen schämte? Jetzt würde sie, wenn sie einen Rat in Sachen Gärtnerei brauchte, Bücher befragen müssen und in Unkenntnis der Skandale leben, die die Fans der Soap-Operas in Atem hielten. Nichts davon war wirklich wichtig, aber es waren eben die Art Einzelheiten, die dem Leben Farbe gegeben hatten.
Lucas kam ihr in den Sinn, und wahrscheinlich hatte Kitty, deren Geist immer noch über dem Raum schwebte, ihn dort eingepflanzt - Kitty, die versuchte, sich nicht einzumischen, es aber trotzdem tat. Das war ein Gebiet, auf dem Perdita ihre Freundin würde enttäuschen müssen. Ihr romantisches altes Herz, das sie unter einer harten Kruste des Zynismus zu verbergen gewusst hatte, hatte sich gewünscht, dass Lucas und Perdita ihre Differenzen beilegten, sich erneut verliebten und heirateten. Das wäre schön gewesen für Lucas, den Kitty geliebt und respektiert hatte, denn er besaß einen wachen Verstand und war sehr nett zu Kitty gewesen. Und es hätte das Problem gelöst, wer sich jetzt, da Kitty nicht mehr da war, um Perdita kümmern sollte. Nein, Kitty hätte zweifellos sofort hinzu gefügt, dass Perdita nicht direkt jemanden brauchte, der sich um sie kümmerte, dass aber jeder jemanden brauchte, der ihn nachts im Bett warm hielt. Doch Lucas hatte Perdita einmal das Herz gebrochen, und einmal war genug, fand sie, vielen Dank.
Es stimmte, dass Lucas unendlich viel wärmer und kuscheliger war als ihre Salate, aber er war es auf eine gefährliche Art und Weise. Und Kitty würde nicht wollen, dass Perdita sich erneut in höchste Gefahr brachte, indem sie sich erlaubte, Lucas zu lieben.
Außerdem hatte Lucas den größten Teil seiner Freizeit darauf verwandt, nach Kitty zu sehen. Jetzt, da sie nicht mehr da war, würde er seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Restaurant richten, seinen Michelin-Stern und wahrscheinlich eine Fernsehsendung mit einem anderen, gefälligeren Co-Star.
Perdita ertappte sich bei einem kleinen Lächeln, denn sie sehnte sich danach, Kitty auf die Ironie der Situation aufmerksam zu machen: Lucas hatte Kitty gehasst, als er und Perdita verheiratet gewesen waren, hatte sie »diese alte Hexe« genannt. Und Kitty hatte Lucas gehasst, als er sich Perdita gegenüber so widerwärtig benommen hatte, und in den Jahren darauf hatte sie auf noch abfälligere Weise von ihm gesprochen. Aber sie hatten einander lieben gelernt, und Lucas würde Kitty fast genauso sehr vermissen wie Perdita selbst.
Sie fragte sich, ob sie ihm eine Warnung wegen des Fotos zukommen lassen sollte, von dem Roger angedeutet hatte, er würde es vielleicht an die Regenbogenpresse verkaufen. Aber dann entschied sie sich dagegen. Es war wahrscheinlich nur eine leere Drohung gewesen, und Lucas war wahrhaftig groß genug, um selbst auf sich Acht zu geben, wenn ihm jemand Knüppel zwischen die Beine warf - tatsächlich würde er den Wirbel wahrscheinlich sogar genießen.
Perdita saß bis sechs Uhr bei Kitty, als Thomas hereinkam. »Guten Morgen«, sagte er leise. »Wie geht es der Patientin? Oh.« Auch er erkannte das Fehlen von Leben sofort. Er blickte Perdita ängstlich an, die sich plötzlich seltsam losgelöst und ruhig fühlte, ein wenig verärgert auf Kitty, dass sie nicht da war, um diesen Augenblick mit ihr zu teilen, ansonsten aber war sie vollkommen gefasst. »Ich bereite uns eine Tasse Tee zu. Sind Sie schon lange auf?«
Perdita schüttelte den Kopf. Sie hatte nicht das geringste Bedürfnis zu weinen, traute aber ihrer Stimme nicht. Thomas schien zu verstehen, wofür sie ihm zutiefst dankbar war. »Ich bin gleich wieder da.«
Perdita seufzte. Sie würde ihre Eltern anrufen müssen, und die beiden würden hergeflogen kommen. Ihre Mutter würde dann alles daransetzen, ihr die Dinge aus der Hand zu nehmen. Sie fühlte sich in Bezug auf ihre Eltern hin-
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