Glücksboten
ziehen würde, aber vielleicht würde er doch ...«
In diesem Augenblick schlurfte die Schlange weiter, aber Perdita war entsetzt. Janey hatte ja keine Ahnung, was sie da redete. Eine kleine Schwärmerei war eine Sache, aber wenn Janey Lucas ihren Körper - und sehr wahrscheinlich auch ihre Jungfräulichkeit - opfern würde, war das schon sehr viel ernster. Sie war schließlich erst achtzehn.
Perdita opferte ihren Platz in der Schlange, damit sie sich weiter mit Janey unterhalten konnte. »Du würdest doch nichts Dummes tun, oder?«
»Es ist allein meine Sache, was ich tue, Perdita. Und übrigens, was höre ich da von einem Freund? Du hast mir gar nichts von ihm erzählt! Und dass ihr Weihnachten zusammen verbringt! Es muss etwas Ernstes sein! Wie kannst du es wagen, mir etwas so Wundervolles zu verschweigen?«
Perdita holte tief Luft. »Wir können hier wirklich nicht reden«, erwiderte sie. »Lass uns irgendwo was trinken gehen, dann erzähle ich dir alles.«
»Okay. Im White Horse, Donnerstagabend um acht Uhr? Da können wir beide zu Fuß hingehen, und ich arbeite Donnerstag nicht.«
»Klingt gut, solange ich bis dahin meine Weihnachtseinkäufe erledigt habe.«
»Aber Perdita! Das ist der Tag vor Heiligabend!«
»Ach ja? Oh, dann habe ich ja noch reichlich Zeit. Ja, das wäre prima.«
Perdita stapfte ans Ende der Schlange zurück, um über die Sünde der Lüge nachzugrübeln und sich zu fragen, ob sie Janey in Bezug auf ihren fiktionalen Freund die Wahrheit anvertrauen konnte oder ob das Risiko bestand, dass Janey Lucas gegenüber vielleicht etwas herausrutschte.
Wie es das Schicksal wollte, blieb Perdita die Entscheidung erspart. Geoff, ihr Chauffeur mit dem gebrochenen Herzen, rief an, um zu fragen, ob er sie an dem Abend abholen könne, an dem sie eigentlich mit Janey etwas trinken wollte. Perdita blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen, und sie rief Janey an, um abzusagen.
»Ich hatte ihn eigentlich nicht vor Freitagmittag erwartet«, erklärte sie. »Aber er konnte sich schon früher freimachen, also darf ich mich wohl nicht beschweren.«
»Aber woher kommt er eigentlich? Ich dachte, du hättest gesagt, du hast nie irgendwelche Verabredungen?«
»Janey, ich kann dir das jetzt unmöglich alles erzählen. Ich muss schleunigst los und noch ein paar Einkäufe erledigen, aber ich verspreche dir, dass ich dich genauestens ins Bild setzen werde, wenn ich zurückkomme. Also, du wirst keine Dummheiten mit Lucas machen, ja? Ich meine, ich weiß, dass er unheimlich sexy sein kann und alles ...«
»Woher weißt du das?«, fiel Janey ihr entrüstet ins Wort. »Ich dachte, du hasst ihn!«
»Das tue ich, das tue ich! Aber ich sehe doch, dass du ihn sexy findest, und ich möchte nur nicht, dass du von einem Bastard verführt wirst, das ist alles.«
»Es geht dich wirklich nichts an, von wem ich verführt werde, Perdita.«
»Oh, Janey, es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht bevormunden, aber ich mache mir einfach Sorgen um dich, das ist alles. Du bist so jung und reizend, und Lucas ist alt ...«
»Und reizend.«
»Genau, und du bist so viel mehr wert als er ...« Perdita klang genauso verzweifelt, wie sie sich fühlte. »Also sei einfach vorsichtig, okay?«
»Okay, du Kummerkastentante. Ich mache schon keine Dummheiten. Hm, ich meine, ich würde wohl welche machen, wenn ich glaubte, dass Lucas welche im Sinn hätte, aber ich fürchte, er hat nichts für mich übrig. Und du läufst jetzt wohl besser zum Supermarkt - andere Läden haben nämlich nicht mehr geöffnet - und erledigst deine Weihnachtseinkäufe.«
Perdita war keineswegs beruhigt. Schließlich hatte Lucas einmal für sie etwas übrig gehabt, und Janey erinnerte Perdita deutlich an ihr jüngeres Ich. Und warum sonst sollte Lucas die Einladung annehmen, den ersten Weihnachtstag mit Janeys Familie zu verbringen? Das war so untypisch für ihn. Es sei denn, er hatte seit damals wirklich eine Hundertachziggradwendung gemacht. Und nach allem, was sie bisher gesehen hatte, war es eher schlimmer mit ihm geworden, nicht besser. Ein Gutes hatte die Sache mit Janey allerdings: Sie würde Lucas wahrscheinlich erzählen, dass ihr Freund sie, Perdita, früher als erwartet abholte, was ihrem Lügenmärchen in Bezug auf besagten Freund mit ein wenig Glück etwas mehr Glaubhaftigkeit verlieh.
Am Tag vor Heiligabend hatte Perdita Kitty um fünf Uhr der sicheren Obhut des freundlichen Mietwagenfahrers übergeben, der sie chauffierte, wenn Perdita es nicht
Weitere Kostenlose Bücher