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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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vielleicht könnte es dann auch eins in Irland geben, am besten gleich unter meinen Füßen. Ich wünschte niemandem etwas Böses, ich wollte, dass alle in Zufriedenheit lebten und ihr Leben in vollen Zügen genossen – aber ich wollte sterben.
    Ich wusste, dass mein Geisteszustand bedenklich war, dass er irgendwie schräg und falsch war und dem gesunden Men schenverstand völlig zuwiderlief. Es gehörte zum menschlichen Instinkt, dass man sich vor Gefahr schützte, ich hingegen wollte mich der Gefahr in die Arme werfen. Irgendwann verließ ich meine Wohnung nur noch in der Hoffnung, dass mir etwas Schreckliches zustoßen würde, denn entgegen den Statistiken, nach denen nirgends so viele Unfälle passierten wie im Haus, war ich der Meinung, dass die Chancen, zu Tode zu kommen, draußen in der Welt erheblich größer waren.
    Meine Medikamente waren mir das Kostbarste überhaupt. Ich trug sie in meinen Hosentaschen bei mir, und manchmal nahm ich sie heraus und betrachtete sie, als wollte ich mein Vertrauen in sie bekräftigen. Ich wartete jeden Morgen, bis es endlich elf war und ich wieder eine Tablette nehmen konnte, die mich dem Tag näher brachte, an dem ich geheilt sein würde.
    Am allerwertvollsten waren jedoch meine Schlaftabletten. An dem Tag, als Dr. Waterbury endlich ein Einsehen hatte und mir ein Rezept ausschrieb, weinte ich vor Erleichterung – zumindest glaubte ich, es sei Erleichterung, aber damals weinte ich fast die ganze Zeit, sodass ich mir nicht sicher sein konnte –, und an dem Abend näherte ich mich der Schlafenszeit ohne die übliche Beklommenheit und ohne vier Folgen von Curb Your Enthusiasm .
    In einer Hinsicht wirkte die Schlaftablette, denn sie versenkte mich für sieben Stunden in einen Tiefschlaf, aber als ich aufwachte, hatte ich das Gefühl, im Schlaf von Aliens entführt worden zu sein. Vorsichtig betastete ich meinen Hintern. Hatte man ein Experiment an mir durchgeführt? War ich mit der berüchtigten Analsonde untersucht worden?
    Der mittels chemischer Substanzen herbeigeführte Schlaf war besser, als Stunden mit schrecklichen Gedanken wach zu liegen, aber durch die Tabletten hatte ich schlimme, sehr lebendige und detaillierte Träume. Selbst im unbewussten Zustand des Schlafs fühlte ich mich bedroht. Ich hatte das Gefühl, jede Nacht über Achterbahnen gejagt zu werden, während hässliche Menschen mich beschimpften. Und jeden Morgen erwachte ich unsanft in den Tag, mit dem Gefühl, dass ich einen langen, gruseligen Weg zurückgelegt hatte, während ich gleichzeitig nicht in meinem Körper war.
    Doch so schrecklich diese frühen Tage auch waren, es haftete eine Unschuld an ihnen, weil ich zu dem Zeitpunkt noch darauf vertraute, dass die Medikamente mich heilen konnten. Wenn ich einfach die erforderlichen drei Wochen abwartete, sagte ich mir, dann würden die Tabletten ihre Wirkung tun, und mir würde es wieder gut gehen. Aber die drei Wochen vergingen, und mir ging es schlechter als zuvor. Meine Angst nahm zu, ich war zu nichts imstande.
    Manchmal stieg ich spätabends ins Auto und fuhr stundenlang herum, aber zweimal ruinierte ich mir dabei den linken Vorderreifen, weil ich versehentlich auf den Bordstein gefahren war. Ich, die ich normalerweise so stolz auf meine Fahrkünste war, stellte offiziell eine Bedrohung auf der Straße dar.
    Ich ging wieder zu Dr. Waterbury, und weil ich so viel im Internet geforscht hatte, wusste ich inzwischen mehr über Antidepressiva als er. Ich hätte alle Einzelheiten über jedes Mittel auf dem Markt nennen können und kannte alle unterschiedlichen Generika. Ich schlug vor, dass er mir ein weniger bekanntes trizyklisches Antidepressivum verschreiben solle, das, so hatte meine Internetrecherche ergeben, bei meinen spezifischen Symptomen helfen könnte. Er musste das Mittel in einem Buch nachschlagen und wirkte besorgt.
    »Es kann sehr starke Nebenwirkungen haben«, sagte er. »Hautausschlag, Delirium, möglicherweise Hepatitis …«
    »Ja, schon«, stimmte ich ihm zu. »Tinnitus, Muskelstarre, kann zu Schizophrenie führen. Aber trotzdem. Das ist mir alles egal, solange es wirkt und ich nicht mehr das Gefühl habe, in einem Science-Fiction-Film zu sein.«
    »Das Mittel wird nur selten verschrieben«, sagte er. »Ich persönlich habe es noch nie verschrieben. Sollen wir es nicht besser mit Cymbalta versuchen? Viele Patienten berichten über sehr gute Wirkung.«
    »Von dem anderen Mittel habe ich im Internet gelesen …«
    Er murmelte etwas,

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