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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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gesehen.«
    »Wirklich?«
    »Ja, klein, zierlich, lange dunkle Haare. Jeans und orangefarbene Sportschuhe …« Sein Blick blieb an meinen Schuhen hängen, und seine Stimme wurde leiser. »Kann sein, dass Sie das waren.«
    Ich unterdrückte einen Seufzer. »Wann haben Sie diese Frau gesehen? Letzten Monat? Letzte Woche?«
    »Heute Morgen. Vor ein, zwei Stunden. Sie kam aus Waynes Haus.«
    »Das war tatsächlich ich. Irgendwelche anderen fremden Frauen in letzter Zeit?«
    »Ja.«
    »Ehrlich?«
    Unter meinem aufgeregten Blick schien er zu schrumpfen. »Nein. Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Ich wollte Sie nicht enttäuschen. Entschuldigung.«
    »Macht nichts, so was passiert dauernd, trotzdem vielen Dank. Also nichts Ungewöhnliches?«
    »Nein.«
    »Noch eine Frage: Gehört Ihnen dieses Haus, oder haben Sie es nur gemietet?«
    »Eh … was hat das mit Wayne zu tun?«
    »Nichts, gar nichts«, versicherte ich ihm rasch. »Reine Neugier.«
    »Ich habe es gemietet«, sagte er.
    Ich fühlte mich gleich ein bisschen besser, er hatte also keine Hypothek, die er abbezahlen musste. Ich war also nicht unbedingt eine Niete .
    Ich machte mit meiner Befragung weiter. Bei Nummer zwei kam ein Exemplar Aktives Altern an die Tür, eine Frau ähnlich wie die, mit der ich am Freitag gesprochen hatte. Und ähnlich wie die Frau vom Freitag behauptete auch diese, viel zu beschäftigt zu sein, um irgendwas zu bemer ken, und schickte mich schroff und unmissverständlich weg.
    In Nummer eins wohnte ein junges Mädchen, Studentin am University College Dublin, die ihr Bankkonto bei ihren Eltern hatte. Sie wand sich hin und her, konnte mir nicht in die Augen sehen, lutschte an ihren Haarspitzen und schien außerstande zu sein, etwas anderes zu sagen als: »Also, ehm …« Sie war nicht absichtlich abweisend, sie war einfach jung, und ich begriff, dass sie jedes Mal, wenn sie einen Menschen über zwanzig vor sich hatte, buchstäblich erblindete. Es war ein neurologisches Phänomen, es passierte allen Teenagern. Trotzdem, ich ärgerte mich so sehr über sie, dass ich sie umgehend in die Tonne befördern wollte. Ich würde sie auf der Tonnenliste unter The Wonder of Now , Milchtrinkern und dem Wort Vino einordnen, aber über Schnee, Hunden, der Stimme von Fozzy Bear, Arzthelferinnen, Friseurinnen und dem Geruch gebratener Eier.
    Die Dinge, die in die Tonne kamen, unterlagen keiner festen Rangordnung, und ich machte mir einen Spaß daraus, sie immer mal wieder umzuordnen.
    Ich überquerte die Straße und fuhr mit meiner Befragung fort. In Nummer zwölf wohnte der Mann über fünfzig, bei dem eine Schraube locker war und dem Haare aus den Ohren wuchsen und der irrigerweise behauptet hatte, er habe eine Freundin, weshalb ich beschloss, einen großen Bogen um sein Haus zu machen.
    Das galt auch für Nummer elf, die Familie mit dem Haarglätter, und Nummer zehn, die erste Frau aus der Kategorie Aktives Altern.
    In Nummer neun wohnte ebenfalls eine Frau von dieser Sorte! Was war nur mit der Welt los? Kein Wunder, dass die Wirtschaft am Boden lag, wenn wir all diesen Menschen Rente zahlen mussten. Und da sie sich alle fit hielten und Flora-Margarine aßen, würden sie bestimmt hundertdreißig Jahre alt werden.
    Diese Frau war nicht ganz so forsch wie die anderen beiden ihrer Art in Mercy Close, sie war ein bisschen herzlicher und verständnisvoller, aber trotzdem komplett unbrauchbar. Sie habe Wayne so gut wie nie gesehen, sagte sie. Bridgespielen sei eine zeitintensive Beschäftigung. »Außerdem«, fuhr sie fort, »verbringe ich die halbe Woche in Waterford bei meinem Freund.« Wenigstens hatte ich aus der Begegnung mit dem haarigen Mann am Freitag gelernt, nicht herauszuplatzen mit: »Was? Sie haben einen Freund? Aber Sie sind doch mindestens siebenundachtzig!«
    Weiter ging’s zum nächsten Haus, inzwischen war ich wie der ziemlich entmutigt, der Zuckerschub von den Cheerios ließ nach, und ein Adrenalinstoß wollte sich nicht einstellen. Niemand hatte mir eine Auskunft gegeben, mit der ich etwas anfangen konnte.
    Bei Nummer acht wurde die Tür aufgerissen, bevor ich den Finger vom Klingelknopf genommen hatte.
    Es war ein Mann. Gewissermaßen. Er hatte ein irgendwie neutrales Aussehen, und ich stellte mir vor, dass seine Genitalregion wie bei Barbies Ken aus Plastik und ohne Pim mel geformt war. Er trug Freizeitklamotten, aber sie sahen steif und neu aus.
    »Ja?«, bellte er mich an. Er würde sich an keinen Türpfosten lehnen. O nein. Das

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