Glücksfall
war einer, der aufrecht stehen blieb.
Ich sagte meinen Vers auf. »Ich heiße Helen Walsh, ich bin eine Freundin von Wayne Diffney und …«
»Damit will ich nichts zu tun haben«, sagte er.
»Warum nicht?«
»Ich will einfach nichts damit zu tun haben. Aber nicht, dass Sie das erwähnen.«
»Wunderbar«, sagte ich und reagierte super entspannt auf seine Nervosität, nur um ihn auf die Palme zu bringen. »Wohnt hier noch jemand anders, mit dem ich vielleicht sprechen könnte?«
»Nein«, bellte er. »Und er will auch nichts damit zu tun haben.«
Wie interessant! Ich vermutete eine geschlechtslose homo sexuelle Beziehung. Ich hätte gewettet, sie besaßen solche Kämme, mit denen man Knötchen von Kaschmirpullis entfernt, und komplizierte Schuhputzutensilien mit zweierlei Bürsten, mit denen sie ihre schwarzen Lederschuhe auf Hochglanz brachten.
Ich hatte den starken Verdacht, dass dieser Typ irgendwas mit Juristerei zu tun hatte, und beschloss, das zu prüfen. »Welche Farbe hat der Himmel?«, fragte ich.
Er streckte den Kopf zur Tür raus und sah ihn sich genau an. »Das lässt sich bei aller Unvoreingenommenheit nicht eindeutig feststellen«, sagte er.
Irgendwie hatte er recht, das musste man ihm lassen. Der Himmel war blau, konnte sich aber in den nächsten fünf Sekunden zu grau wandeln – schließlich waren wir in Irland.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte ich.
»Ich habe Ihnen nicht geholfen«, sagte er schnell. Ich sah regelrecht, wie ihm diese Wörter durch den Kopf rasten: »Jeder Rat, den Sie möglicherweise erteilt haben und der zu einer Handlung geführt hat, birgt das Risiko, dass Sie gerichtlich belangt werden können …«
»Ah, jetzt entspannen Sie sich mal«, sagte ich im Weggehen. Ich wusste, dass er keine Informationen über Wayne verbarg. In solchen Sachen entwickelt man ein Gespür. Er wollte sich einfach nur keinen Ärger einhandeln.
Als ich vom Gehweg durch das Gartentor von Nummer sieben ging, stellten sich mir plötzlich die Nackenhaare auf. Ich drehte mich um und sah Cain und Daisy in ihrem Vorgarten auf der anderen Straßenseite, die mich schweigend beobachteten.
»Weg!«, rief ich und wedelte mit den Armen, in der Hoffnung, sie zu vertreiben. »Hört auf, mich anzustarren.«
»Es tut uns leid, dass wir Ihnen am Freitag Angst gemacht haben«, rief Daisy.
»Können wir uns einen Moment unterhalten?«, fragte Cain.
»Nein! Macht, dass ihr wegkommt! Verschwindet!«
Entschlossen kehrte ich ihnen den Rücken und klingelte bei Nummer sieben. Niemand machte auf.
»Da wohnt keiner«, rief Cain von der anderen Straßenseite herüber.
Ich beachtete ihn nicht und drückte wieder auf die Klingel.
»Die sind schon vor Monaten weggezogen«, rief Daisy.
Wieder drückte ich auf die Klingel. Ich würde diese beiden Verrückten gar nicht beachten. Gleichwohl konnte ich nicht umhin zu bemerken, dass der kleine Vorgarten von Nummer sieben mit gelbem Löwenzahn überwuchert war und über dem Haus eine Atmosphäre von Verlassenheit hing. Ich war mir ganz sicher, dass die Leute, die in dem Haus gewohnt hatten, mit ihren Hypothekenzahlungen nicht hinterhergekommen waren. So wie ich. Wer würde jetzt in meine Wohnung ziehen, jetzt, da sie wieder der Bank gehörte? Würde jemand einziehen? Der Gedanke, dass sie leer stand, war fast noch unerträglicher als die Vorstellung, dass jemand dort wohnte und glücklich war.
Ich klingelte noch einmal, obwohl ich inzwischen auch überzeugt war, dass das Haus leer stand.
»Das hat keinen Sinn«, rief Cain. »Da ist niemand.«
Ich drehte mich um. »Ihr sollt mir nicht helfen«, rief ich ihm zu. »Ich will eure Hilfe nicht.«
Es war noch ein Haus in Mercy Close übrig, das zwischen Waynes und dem von Cain und Daisy, die Nummer fünf. Mit erhobenem Kopf und in dem Bewusstsein, dass Cain und Daisy jede meiner Bewegungen beobachteten, ging ich darauf zu.
»Da wohnt Nicholas«, sagte Daisy. »Aber der ist übers Wochenende zum Surfen nach Sligo gefahren.«
Ich klingelte und ignorierte die beiden.
»Er kommt heute Abend zurück«, sagte Cain. »Oder morgen. Er ist ein Freund von uns, ein guter Typ.« Das war verschlüsselt für: Er kauft uns Stoff ab.
Niemand kam zur Tür. Ich klingelte wieder.
»Wir können ihm sagen, er soll sich bei Ihnen melden, wenn er wieder zurück ist. Wir können ihm sagen, er soll Sie jetzt anrufen.«
Die Tür blieb fest verschlossen. Ich hatte keinerlei Vertrauen in das, was die beiden Übergeschnappten sagten,
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