Glücksfall
Anweisung, Connies Haus zu finden. Es war ganz in der Nähe, in einer großen Siedlung aus Doppelhaushälften.
Ich parkte vor dem Haus und betrachtete es. Es sah extrem still aus, als könnte unmöglich jemand darin atmen. Trotzdem, ich würde mich draußen gründlich umsehen und vielleicht einen Weg ins Haus finden.
Da bemerkte ich, dass hinter mir ein Auto anhielt.
Herr im Himmel! Es war Connie, und sie war außer sich!
»Kommen Sie«, schrie sie, sprang aus dem Auto und kramte ihre Schlüssel aus der Handtasche. »Kommen Sie herein! Bewundern Sie mein Haus in seinem ganzen verlotterten Zustand.«
Das konnte ich kaum ablehnen, aber da Connie mich so freizügig einlud – obwohl, das war kaum das richtige Wort –, bestand sicherlich nicht die geringste Möglichkeit, dass Wayne da war. Sie stieß die Haustür auf und sagte: »Der Flur, wie Sie sehen.« Überall lagen Schuhe und Jacken und Spielsachen herum, und es roch unangenehm nach heranwachsenden Jungen.
»Das ist das Wohnzimmer«, sagte sie. »Gehen Sie nur. Sehen Sie ihn irgendwo? Am besten, Sie legen sich auf den Fußboden und sehen unter dem Sofa nach.«
»Nein, ist schon …«
»Machen Sie schon!«, befahl sie wutschnaubend. »Auf den Fußboden!«
Ich legte mich auf den Boden. Es schien mir das Sicherste.
Sie führte mich durch die unaufgeräumte Küche, das noch weniger aufgeräumte Fernsehzimmer, die Waschküche, und machte überall Schranktüren und Schubladen auf. Sie ging mit mir sogar in den Garten und bestand darauf, dass ich im Schuppen nachsah. Ich verabscheute Gartenschuppen mit ihrem seltsamen Modergeruch und all den kaputten Fahrrädern und alten Farbdosen.
»Jetzt wieder ins Haus. Wir gehen nach oben«, sagte sie. Sie ging mir voraus in vier unaufgeräumte Schlafzimmer und forderte mich auf, die Schränke genau zu inspizieren und unter jedem Bett nachzusehen. Sie ging ins Badezimmer und zog den Duschvorhang mit solcher Wucht zurück, dass ich befürchtete, sie würde die Vorhangstange aus der Wandaufhängung reißen.
»Danke«, sagte ich und bewegte mich vorsichtig zur Treppe. »Er ist nicht da. Es tut mir leid, dass ich Ihnen solchen Ärger gemacht habe.«
»Ah, aber wir sind noch nicht fertig«, sagte sie. »Vergessen Sie nicht den Dachboden.« Bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte sie einen Stock herbeigeholt und zog damit eine Klappe in der Decke auf, von der eine Leiter herabge lassen wurde. »Hier ist eine Taschenlampe«, sagte sie. »Gehen Sie nur, sehen Sie sich gründlich um.«
Widerstrebend tat ich es. Ich bin auch nicht scharf auf Dachböden, schon gar nicht, seit Seán Moncrieff einmal in seiner Radioshow erzählt hatte, dass sich auf seinem eine Fledermausfamilie eingenistet hat.
»Finden Sie was?«, rief Connie zu mir nach oben, als ich in dem trüben Licht herumstolperte. »Eine Matratze vielleicht? Eine Kerze und Streichhölzer und ein zerlesenes Exemplar von Die Brüder Karamasow? « Meine Güte, war sie sarkastisch.
Ich kletterte runter, und kaum hatte ich den Fuß auf den Boden gesetzt, trat Connie wutentbrannt gegen die Trittleiter, sodass sie wieder zusammenfuhr und in dem Loch in der Decke verschwand.
»Müssen Sie noch einmal aufs Klo?«, fragte sie. »Schließlich ist es eine lange Fahrt zurück nach Dublin.«
Nach meinem enttäuschenden Besuch bei Waynes Familie trat ich meine trübsinnige Rückfahrt an. In meinem Kopf pochten die Schmerzen, die Tom-Dunne-Show war vorbei, die von Seán Moncrieff kam erst später. Gerade lief die Lunchtime Show , die ich nicht mochte. Darin ging es immer um die Wirtschaft und den allgemeinen Niedergang. »Blablabla – Banken – Blablabla – Rezession – Blablabla.«
Ich war am Tiefpunkt angekommen. Wahrhaftig am absoluten Tiefpunkt.
55
N achdem ich zwanzig Minuten gefahren war, wurde mir in einem Anfall von Panik geradezu schwindelig: Es war Montagnachmittag – wie konnte es schon Montagnachmittag sein? –, das erste Laddz-Konzert sollte in etwas mehr als achtundvierzig Stunden beginnen, und Wayne war und blieb sehr, sehr verschwunden. Alle Wege, die ich erforscht hatte, waren Sackgassen gewesen; mir blieb nur noch das Ergebnis der Telefondaten, und die waren immer noch nicht eingegangen.
Ich musste am Straßenrand anhalten und dem Telefonmann eine weitere flehentliche E-Mail schicken, mit der Bitte um Auskunft, wann ich mit seinem Bericht rechnen konnte.
Ich fürchtete mich, die eingegangenen Anrufe zu überprüfen – vierundzwanzig insgesamt –, denn
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