Glücksfall
genommen. Ich habe die falsche Persönlichkeit. Oder besser gesagt, ich werde für kurze Zeit genommen, dann werde ich entlassen. Eine Film-Agentin erklärte mir, als sie meinen Vertrag beendete, ich hätte ein irreführendes Gesicht. »Sie sind hübsch«, sagte sie, »Ihre Gesichtszüge sind ebenmäßig, und in Grazia stand ein Artikel, in dem es hieß, die Menschen seien so programmiert, dass sie den Anblick von Menschen mit ebenmäßigen Zügen angenehm finden. Es lag also nicht an mir, ich bin nur meinem biologischen Imperativ gefolgt. Sie haben ein ebenmäßiges Gebiss, und wenn Sie lächeln, sehen Sie … reizend aus, so könnte man sagen. Aber das sind Sie nicht, hab ich recht?«
»Ich hoffe, ich bin es nicht«, sagte ich.
»Sehen Sie, Sie machen es schon wieder. Sie sind vorlaut und unfähig, Ihre Gedanken zu filtern …«
»… und meine Gedanken sind oft ziemlich böse.«
»Genau.«
»Ich suche meine Bürsten und Schwämme zusammen und gehe.«
»Ja, bitte.«
Jedenfalls meldete ich mich, eher aus einer Laune heraus, für den Kurs »Private Ermittlung für Anfänger« an und schaffte es zum ersten Mal in meinem Leben, einen ganzen Kurs mitzumachen. Ich hatte so viel ausprobiert und war die ganze Zeit auf der Suche nach etwas, das zu mir passte, und nachdem ich mich jedes Mal drei oder vier Wochen lang gelangweilt hatte, schützte ich eine Erkältung vor und behauptete, ich müsse eine Woche zu Hause bleiben. Und wenn es eine Woche später war und der Abend für den Kurs kam, sagte ich mir, jetzt hätte ich schon so viel versäumt, dass ich auch ganz wegbleiben könnte, bis zum nächsten Herbst.
Aber dieser Kurs war anders. Er machte mir Hoffnung. Das ist eine Arbeit, die ich kann, dachte ich. Sie würde zu meiner schwierigen Persönlichkeit passen.
Trotzdem, der Lehrplan war ziemlich lahm. Ein beträchtlicher Teil befasste sich mit Technik und den verschiedenen Methoden, wie man jemanden ausspionieren konnte, was ich höchst interessant fand. Allerdings gab es furchtbar viele Einschränkungen für den Ermittler wegen des »Freedom of Information Act« und der Datenschutzbestimmungen. Der Kursleiter erklärte uns in großer Ausführlichkeit, was wir alles nicht tun durften und dass es lauter faszinierende und wunderbare Daten in der Welt gab, an die wir aber ohne offizielle Genehmigung nicht herankamen.
Dann erwähnte er mit verschwörerischem Augenzwinkern die Möglichkeit von »Kontakten«. Anscheinend haben alle Privatdetektive »Kontakte«.
Ich hob die Hand. »Meinen Sie mit ›Kontakten‹ Leute, die Zugang zu Informationen haben, die auf legalem Wege nicht erhältlich sind?«
Der Kursleiter sah mich gequält an. »Die Antwort überlasse ich Ihrer Diskretion, Helen.«
»Das verstehe ich als Ja. Und wie finden wir diese Kontakte?«
»Unter www.illegalcontacts.org«, sagte er. »Das war ein Witz«, fügte er eilig hinzu, als er sah, dass einige Kursteilnehmer sich eifrig die Adresse notierten. »Jeder findet seine eigenen Kontakte. Aber es ist illegal«, betonte er wieder. »Es ist illegal, solche Informationen weiterzugeben, aber es ist auch illegal, dafür zu bezahlen. Viel besser ist es, den Fall anhand von gründlicher Überwachung und Zeugengesprächen zu bearbeiten.«
»Es empfiehlt sich also, mit einem Polizisten zu schlafen?«, fragte ich. »Oder mit jemandem, der bei Vodafone arbeitet? Und bei Mastercard?«
Er sah mich an, als würde er die Antwort verweigern, dann sagte er: »Sie könnten es ja erst mal mit Muffins versuchen. Gehen Sie nicht gleich aufs Ganze.«
Wir waren eine nette kleine Gruppe, und an unserem letzten Abend feierten wir mit Glühwein und Mince Pies, obwohl es bis Weihnachten noch einen Monat war, dann gingen wir, ausgestattet mit unseren Urkunden, in verschiedene Richtungen hinaus in die Welt.
Innerhalb einer Woche – einer Woche – hatte ich eine Stelle als Privatdetektivin.
Sicher, Irlands Wirtschaft florierte, und alle Firmen suchten neue Mitarbeiter, aber ich war doch sehr angetan, dass eins der großen Häuser in Dublin mich einstellte. Wenn ich groß sage, meine ich natürlich klein. Aber für eine private Ermittlungsagentur in Irland war es groß. (Zehn Mitarbeiter.)
Die Firma war auf elektronische Abtastung spezialisiert. Man kennt das: Ein Betrieb hatte eine wichtige Besprechung, bei der vertrauliche Dinge diskutiert wurden, und alle hatten panische Angst, dass sie von der Konkurrenz oder einem korrupten Mitarbeiter abgehört wurden. Deswegen
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