Glücksfall
wurden Leute wie ich mit lauter technischem Gerät losgeschickt, das wie verrückt piepte und plärrte, sobald es unter dem Tisch oder in der Tastatur eine Wanze erspürte.
Schnell erkannte ich, dass auch ein abgerichteter Affe diese Arbeit tun könnte und dass es nicht das war, was ich mir vorgestellt hatte. Aber dann geschah es zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich nicht entlassen, sondern von einem Headhunter abgeworben wurde! Für eine andere große private Ermittlungsagentur in Dublin, und wenn ich groß sage, meine ich natürlich klein. Und die Arbeit war eine komplett andere. Kein Job mehr für abgerichtete Affen. Sondern haufenweise Eselsarbeit, also Überwachung.
Doch weil Irland so war, wie es zu der Zeit war, nämlich mit Geld gepflastert und voller Menschen, die Flausen im Kopf hatten, spielte sich ein Teil der Überwachungsarbeit im Ausland ab. Eine Zeit lang war das Leben ziemlich glamourös. Ich wurde nach Antigua geschickt, wo ich in einem Fünf-Sterne-Hotel wohnte. Ich wurde nach Paris geschickt, wo ich ebenfalls in einem Fünf-Sterne-Hotel wohnte. Zugegeben, ich musste arbeiten und konnte nicht gerade auf der Rue du Faubourg Saint-Honoré auf und ab schlendern und Schuhe kaufen. Stattdessen hielt ich hochempfindliche Mikrofone an Hotelzimmerwände, nahm belastende Gespräche zwischen Männern und Frauen auf, die nicht Mann und Frau waren, und kam zurück mit Beweisen für eine Affäre.
Und natürlich gab es auch die Aufträge, bei denen ich drei Tage in einer schlammigen Grube verbrachte, aber ehrlich gesagt haben mir die auch Spaß gemacht. Ich ließ nichts unversucht, bis ich ein Ergebnis vorweisen konnte. Man könnte sagen, ich war – ein dummes Klischee, ich weiß – gierig. Gierig auf den Adrenalinrausch, wenn ich den Bösen zu fassen bekam. Wenn ich die schier unmöglich zu entdeckenden Beweise doch entdeckte.
Natürlich war es nicht nur Spaß und Vergnügen. Manchmal wurde ich entdeckt, und ein wütender Ehebrecher versuchte mich anzugreifen und meine Kamera zu zerstören. Beim ersten Mal bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun. Mir war nicht klar gewesen, in welche Gefahr ich mich begab. Aber es schreckte mich nicht ab. Ich passte einfach nur besser auf.
Ich machte mir einen Namen als zuverlässige und sogar furchtlose Ermittlerin, und zum ersten Mal in meinem Leben wollten viele Menschen mich auf ihrer Gehaltsliste führen – ich bekam von allen Seiten Angebote, aber ich beschloss, das zu tun, was sich jeder wünscht: Ich würde mich selbstständig machen. Ich wollte keinen über mir haben, nur die Aufträge annehmen, die mich interessierten, nur so lange arbeiten, wie ich es wollte, und ich wollte – oberste Priorität für viele – am Freitagnachmittag früh Feierabend haben.
Aber ich muss ehrlich sagen, selbstständig sein ist nicht so leicht, wie es sich anhört. Ich musste Tausende von Euro für eigene Überwachungsgeräte ausgeben, ich musste neue Klienten suchen, weil ich die alten nicht abwerben und mitnehmen durfte, und ich musste alles mit mir allein ausmachen, ohne Kollegen, die hinter mir aufräumten oder mal ans Telefon gingen.
Aber ich habe es geschafft. Ich habe mir eine Facebook-Seite eingerichtet, Visitenkarten drucken lassen und ein hübsches kleines Büro gemietet. Wenn ich hübsch sage, meine ich natürlich hässlich. Geradezu abscheulich. Ein winziges Loch am Rande einer heroinverseuchten Wohnsiedlung.
Seltsam, denn zu dem Zeitpunkt hätte ich mir ein besseres Büro leisten können. Ich hatte mir ein richtig schönes ganz in der Nähe der Grafton Street angesehen, ideal gelegen für die Runde durch die Schuhgeschäfte in der Mittagspause. Es hatte dicke Teppiche, eine hohe Decke, die perfekte Größe und ein dünnes blondes Mädchen, das an der Rezeption das Telefon bediente. Aber ich lehnte es ab und entschied mich stattdessen dafür, jeden Morgen über benutzte Injektionsnadeln zu steigen.
Als meine Schwester Rachel das hörte, sagte sie, das bestätige nur ihre ursprüngliche Analyse, dass mit mir etwas nicht stimme. Und sie hat das alles studiert, sie muss es wissen. (Sie ist Suchtberaterin, weil sie früher selber süchtig war.)
Sie sagte, ich sei auf abnorme, beinahe schon psychotische Weise widersprüchlich.
Und wo sie recht hat, hat sie recht – so scheint es bei mir zu sein.
6
E s ist immer eine Überraschung, wenn ein berühmter Mensch in einem ganz gewöhnlichen Haus wohnt. Bloß weil einer im Fernsehen war, stelle ich mir vor, dass
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