Glücksfall
der Stadt.
Einmal hatte mich eine Versicherung beauftragt, Nachforschungen anzustellen, weil ein Klient behauptete, er habe ein gelähmtes Bein, und eine hohe Versicherungssumme gefordert hatte. Er wohnte in einem Bauernhaus, das sowohl entlegen als auch komplett frei stehend war, sodass es nirgendwo eine Möglichkeit gab, sich zu verstecken, ohne dass er es gesehen hätte. Also grub ich mir – jawohl, ich grub mir mit eigenen Händen und einem Spaten – eine Kuhle, in der ich an den drei folgenden Tagen jeweils dreizehn Stunden liegend verbrachte und meine Kamera auf das Haus gerichtet hielt.
Es regnete, die Erde wurde zu Schlamm. Meine Sachen waren völlig durchweicht. Ich fror und langweilte mich und konnte nicht mal pinkeln gehen. Aber ich harrte aus, bis ich mein Beweismaterial auf Video hatte.
Und diese Gelegenheit ergab sich, als ein Lastwagen durch das Moor kam und der Mann aus dem Haus trat, ziemlich beweglich und leichtfüßig für jemanden, der ein lahmes Bein hatte. Der Lastwagen hielt vor dem Haus, und mein Kandidat schwang sich auf die Ladefläche und fing zusammen mit dem Fahrer an, eine Badewanne auszuladen. (Mit Löwenfüßen, aber modern, die Füße aus rostfreiem Stahl statt aus Kupfer und die Außenseiten der Wanne in einem silbrigen Zinnton gehalten. Sehr edel. )
Ich war von der Badewanne so bezaubert, dass ich beinahe verpasst hätte, was dann geschah, nämlich dass der Mann mit dem lahmen Bein eine Leiter herbeiholte, sie an die Hauswand lehnte und die Badewanne durch ein Schlafzimmerfenster ins Haus bugsierte. Klick-klick-klick machte mein Fotoapparat in meinem schlammigen Versteck, surr-surr-surr machte meine Videokamera, und nachdem es dunkel geworden war, kletterte ich aus der Kuhle, füllte sie mit Erde und ging zurück in die Frühstückspension, wo ich mich eine Stunde lang in die (bedauerlicherweise sehr gewöhnliche) Badewanne legte, Wodka mit Cola light trank, die ich ins Zimmer geschmuggelt hatte, und mich, zufrieden mit meiner erfolgreich durchgeführten Arbeit, erholte.
Ein ehemaliger Polizist würde nie diesen Einsatz bringen. Er wäre der Meinung, das habe er nicht nötig. Diese Art von Observierung. Und noch etwas über ehemalige Polizisten: Sie haben riesige Angst, dass jemand auf sie schießt. Richtige Hosenscheißerangst. Wie schon gesagt, ist zweimal auf mich geschossen worden, und obwohl es sicherlich nicht angenehm war, so war es doch interessant. Sogar – ja, doch – aufregend. Damit kann man zur Unterhaltung auf einer Dinnerparty beitragen.
Aber wann gehe ich schon zu einer Dinnerparty?
Oft fragen mich die Leute, wie ich zu meinem Beruf gekommen bin, als wäre es etwas so Geheimnisvolles wie der Eintritt in eine Freimaurerloge. Und die Antwort ist ganz einfach, viel einfacher, als man glauben mag: Ich habe eine Kurs gemacht. Nicht in Los Angeles. Nicht in Tschetschenien. Sondern in einer Fachhochschule, fünf Minuten mit dem Auto von mir.
Es war auch nicht die Art Kurs, bei dem alle Teilnehmer für ein zehntägiges Intensivtraining auf einen Landsitz gekarrt werden, von wo aus sie in die Wälder ausschwärmen und von unsichtbar bleibenden Schützen beschossen werden, wodurch sie auf die Realität des bevorstehenden Berufsalltags vorbereitet werden sollen.
Nein, mein kleiner Kurs war ein Abendkurs, einmal in der Woche, Mittwochabend. Acht Wochen lang.
Große Hoffnungen hatte ich nicht, weil ich in beruflicher Hinsicht schon vieles versucht hatte und in vielem gescheitert war.
Nach dem Schulabschluss hatte ich zwei Jahre an der Universität verbracht und versucht, ein Studium zu absolvieren, aber mir kam alles so dumm und sinnlos vor, dass ich durch sämtliche Prüfungen fiel. Darauf folgte eine kurze Phase, in der ich mich um den Titel »Schlechteste Kellnerin der Welt« bemühte, dann wollte ich Flugbegleiterin werden, aber ich schaffte es nicht, freundlich genug zu sein. Danach machte ich eine Ausbildung zur Kosmetikerin. Ich hatte gehofft, als Kosmetikerin Arbeit beim Film zu bekommen und Schauspieler mit unechtem Blut und dergleichen schminken zu können, aber als Freiberuflerin musste ich jedes Mal, für jeden Auftrag, mit zehntausend anderen Kosmetikerinnen konkurrieren, wir mussten darum rangeln wie in einer Szene in Gladiator . Derjenige, der überlebt, kriegt den Auftrag. Um das Gemetzel mit den Freiberuflern kam man nur herum, wenn man gute Beziehungen zu denen hatte, die die Termine machten, und das gelang mir nie.
In der Regel werde ich nicht
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