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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Woche.«
    »Na, dann … herzlichen Glückwunsch.« Das sagte man doch normalerweise, wenn jemand schwanger war, oder?
    »Danke. Und jetzt muss ich mich sammeln. Obwohl noch nicht feststeht, ob das Konzert überhaupt zustande kommt, besteht Jay Parker darauf, dass ich einem gewissen Seán Moncrieff ein Interview gebe. Kennst du ihn?«
    »Ja. Ich mag Seán Moncrieff sehr gern.«
    »Und wenn ich mich im Taxi auf dem Weg übergeben muss?«
    »Warte mal einen Moment, ich hole mir schnell zweihundert Euro von Jay Parker, dann fahre ich dich hin.«
    Das sagte ich nicht nur aus Freundlichkeit. Ich musste ihr eine bestimmte Frage stellen.
    Ich wartete, bis wir losgefahren waren. Man sagt, schwierige Gespräche sollten im Auto stattfinden, damit es keine Mög lichkeit zu Blickkontakt gibt und schwierige Pausen von den Verkehrsgeräuschen überspielt werden können.
    »Zeezah … neulich … an dem Tag, als die Schwanenkostüme ankamen? Ich hätte schwören können, dass ich gesehen habe, wie du Roger an die Eier gelangt hast. In letzter Zeit habe ich Schwierigkeiten mit meinem Kopf, und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir bestätigen könntest, dass ich mir das nicht eingebildet habe.«
    »Gelangt?«
    »Gelangt.«
    »An die Eier?«
    »An die Eier.«
    »Du stellst mir diese Frage?« Zeezah sah mich mit einem listigen Lächeln von der Seite her an. »Und ich sage dir, ein kleiner Flirt gibt einem Menschen ein gutes Gefühl … Und, wie ihr Iren sagt, es schadet nicht. Oder?«

58
    I ch setzte Zeezah beim Sender ab.
    »Kommst du nicht mit rein?«, fragte sie.
    »Nein, ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.«
    »Ist gut.«
    Aber als sie gegangen war, bedauerte ich meine Entschei dung. Immer wenn ich den Fehler machte und anfing nach zudenken, dachte ich über das Sterben nach. Die Zwangsläufigkeit fühlte sich diesmal viel unvermeidlicher an. Ich saß im Auto, schloss die Augen und überlegte, ob ich Antonia Kelly anrufen sollte. Der Mittwoch kam auf mich zugerast, und was auch geschah, ob Wayne zurückkam oder nicht, Tatsache war, dass für mich nach dem Mittwoch nichts als Leere kam.
    Mein Kopf tat weh. Ich machte die Augen auf und betrachtete die zarte Haut an der Innenseite meiner Handgelenke, die dünnen blauen Adern. Es würde wehtun, das war klar, und ich hatte Angst, dass der Schmerz ein Hindernis sein könnte.
    Aber in meinem Gedächtnis flackerte ein Bild der Betäubungscreme auf, die ich gekauft hatte, nachdem ich mir die Beine mit Laser hatte enthaaren lassen. Ich hatte noch eine Tube übrig, und wenn ich die Handgelenke dick damit einrieb, vielleicht eine Stunde vorher, dann würde es nicht so sehr wehtun. Vielleicht gar nicht.
    Ich rief mich zur Ordnung. Ich sollte so was nicht denken.
    Es machte mir richtig Angst, dass ich nie sauber in eine Diagnose von »Depression« hineingepasst hatte, sodass ich keine Ahnung hatte, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln würden. Bei anderen Menschen, deren Depressionen nach dem Schulbuch verliefen, verlangsamte sich alles immer weiter, bis es schließlich völlig zum Erliegen kam. Sie wurden gefühllos, sie erstarrten. Oder es ging in die andere Richtung, sie bekamen schreckliche Angstzustände, hatten Atembeschwerden und konnten weder essen noch schlafen noch eine Minute still sein. Ich hatte von beidem etwas, ziemlich viel sogar. Aber dazu kamen noch alle möglichen anderen Sachen, wie das Gefühl, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein. Oder der Trost, den ich aus Naturkatastrophen schöpfte. Oder meine Abscheu vor Licht. Oder das Gefühl, dass meine Seele an eine offene Flamme gehalten würde.
    Ich glaubte nicht, dass ich das noch einmal aushalten konnte. Diesmal war es eher noch schlimmer, weil ich ge glaubt hatte, geheilt zu sein. Es war deshalb schlimmer, weil ich wusste, wie grauenhaft es werden konnte. Und es war schlimmer, einfach weil es schlimmer war.
    Ich suchte mein Handy – davon wurde mir immer ein bisschen besser –, entdeckte aber dann, dass ich es schon in der Hand hielt. Vielleicht sollte ich mir ein zweites zulegen. Und als ich es betrachtete, fing es an zu klingeln. Es war Harry Gilliam. Angst schnürte mir meine Eingeweide zusammen. Das war doch seltsam: Ich dachte über das Sterben nach, ich entzog mich dem Leben, der Welt, und manches schien mir völlig bedeutungslos und ohne jede Macht über mich. Aber andererseits gab es Gefühle und Situationen, die extrem verstärkt waren. Meine Angst vor Harry Gilliam, zum Beispiel.
    Auf

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