Glücksfall
Gefühl, von meiner neunjährigen Tochter ver kuppelt zu werden.«
»Gib mir deinen Mantel«, sagte ich. »Mein Plan sieht näm lich vor, dass du eine Weile bleibst.«
Wir lachten beide schrill und in leichter Panik, und mir wurde bewusst, dass er ebenso nervös war wie ich.
Er ließ den Mantel von seinen Schultern gleiten, ein dunk les, schweres Teil, und ich half ihm damit. Das war das erste Mal, dass ich ihn berührte.
»Ich habe einen Garderobenständer«, sagte ich mit einigem Stolz. »Einen runden.« Einen Garderobenständer zu haben schien mir sehr zivilisiert. Ich hatte ihn von einem Toten in Glasthule gekauft – also, vielmehr von seiner Familie, aus seinem Nachlass.
Aber bei dem Gewicht von Arties Mantel fiel der Ständer um. Wir standen dabei, als er sich zur Seite neigte und umfiel. »Wollen wir uns weigern, das als Omen zu betrachten?«, fragte Artie.
»Okay.«
»Leg den Mantel einfach da auf die Couch«, sagte er. »Da liegt er gut.«
»Wie findest du meine Wohnung?«, fragte ich. »Ich mache hier keine Konversation, obwohl diese Situation verdammt heikel ist.«
Denn wenn er meine Wohnung nicht mochte, würde es mit uns nichts.
Artie ging vom Wohnzimmer zur Küche zum Schlafzimmer, registrierte stumm die kleinen Einzelheiten der Einrichtung und sagte nach einer Weile: »Es trifft nicht jedermanns Geschmack.«
Er warf mir einen Blick zu.
»Aber«, fügte er hinzu, und der blitzende Blick aus seinen Augen fuhr mir direkt in den Unterleib, »du auch nicht.«
Das war die richtige Antwort.
Gut, genug geflirtet, genug Vorspiel, oder wie man es nen nen will. Ich konnte nicht länger warten.
»Ich bin mir unsicher wegen des Betts«, sagte ich.
»Aha?« Er zog eine Augenbraue hoch. Wieder ein Schuss in meinen Unterleib.
»Es ist ziemlich schmal«, sagte ich. »Wenn du nun nicht reinpasst?«
»Oh …«
»Da gibt’s nur eins«, sagte ich. »Alles ausziehen.«
Er war schon dabei, sich das Hemd aufzuknöpfen.
Himmel, er war herrlich. Groß und kräftig und sexy. Ich streckte ihn auf meinem Bett aus und senkte mich langsam auf ihn hinunter, aber innerhalb weniger Sekunden drängten seine Hüften nach oben, und sein Gesicht verzerrte sich. Zu schnell.
»Tut mir leid«, sagte er, zog mich zu sich hinunter und legte sein Gesicht an meinen Hals. »Es ist eine Weile her.«
»Macht nichts«, sagte ich. »Bei mir ist es auch eine Weile her.«
Kurz darauf machten wir es noch einmal, diesmal richtig. Danach lagen wir keuchend und erschöpft und schweigend nebeneinander, während draußen der Winterhimmel, schwer von noch nicht gefallenem Schnee, dunkel wurde.
Dann sagte ich: »Mach schon.«
»Was?«
»Jetzt kommt der Teil, wo du sagst: ›Wie geht es jetzt weiter?‹«
»Und, wie geht es jetzt weiter?«
»Nein«, sagte ich. »Dieses Gespräch führen wir nicht. Ich weiß nicht, was jetzt geschieht. Ich bin keine Wahrsagerin. Niemand weiß, was kommt. Ich weiß, dass deine Situation nicht ideal ist. Ich weiß, dass du an deine Kinder denken musst. Ich weiß, dass es keine Versicherung gegen Katastrophen gibt. Wenn wir an all die Dinge dächten, die im Leben schieflaufen können, würden wir nie mehr aus dem Haus gehen. Wir würden uns weigern, den Mutterleib zu verlassen.«
»Du bist sehr weise.« Er schwieg. »Oder sehr wasweißich.«
»Ich weiß nicht, was ich bin. Aber ich begehre dich. Und deine Tochter mag mich. Und wir müssen unser Leben leben, mit allen Risiken und so weiter.«
»Was mit meinen Kindern passiert, ist mir sehr wichtig.«
»Ich weiß.«
»Und meine frühere Frau ist eine … beeindruckende Person.«
»Ich bin auch verdammt beeindruckend, wenn ich in der Stimmung dazu bin.«
»Ich möchte dich nicht in … unangenehme Situationen bringen.«
»Bitte!« Ich war empört. »Du unterschätzt mich. Und zwar erheblich.«
Damit hätten wir die Ehefrau abgehandelt, und die neun jährige Tochter war jetzt schon eine treue Verbündete. Der dreizehn Jahre alte Sohn würde sich mit Sicherheit in mich verlieben, blieb als Unsicherheitsfaktor nur Iona, die fünfzehnjährige Tochter. Wunderbar, alles würde wunderbar.
21
K omisch, aber ich lag immer noch flach auf dem Rücken in Waynes Wohnzimmer. Ich zwang mich aufzustehen und ging nach oben in sein Büro. Ich wollte seine Geldangelegenheiten noch einmal und diesmal etwas genauer überprüfen – ob es ungewöhnliche Ausgaben oder, was wichtiger war, ungewöhnliche Einnahmen gab. Zugegeben, ich näherte mich dem Fall nicht
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