Glücksfall
schrecklich lang).
»Also gut. Aber wenn Sie von Wayne hören, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid.«
»Haben Sie denn nichts gehört? Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte? Wir machen uns … Sorgen.« Sie schluckte, es klang, als unterdrückte sie ein Weinen.
»Es ist noch zu früh, Mrs. Diffney. Aber seien Sie unbesorgt.«
»Warum müssen Sie mit ihm sprechen?«
»Ach, nichts. Das ist nur ein Trick, mit dem ich Leute normalerweise dazu bringe, Sachen zu erzählen, die sie eigentlich für sich behalten wollen.«
»Ach so. Also …«
»Auf Wiederhören, Mrs. Diffney. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
Langsam stellte ich die Ordner wieder ins Regal. Ich war tief in Gedanken versunken.
Ich wollte die Idee nicht aufgeben, dass Docker irgendwie eine Rolle in dem Ganzen spielte. Vielleicht hatten er und Wayne E-Mails ausgetauscht. Ich blickte zu Waynes Computer hinüber – ich musste da unbedingt rein. Wie könnte sein Passwort bloß lauten? Vielleicht Docker? Oder sogar Birdie? Beide Namen hatten sechs Buchstaben. Aber ich war mir bei beiden nicht sicher genug, um einen meiner drei kostbaren Versuche dafür aufs Spiel zu setzen. Ich musste mich gedulden und versuchen, in Waynes Kopf rein zukommen.
Ich wählte Jay Parkers Nummer. »Hör mal, hast du eine Nummer von Docker?«
Ich wusste, dass er keine hatte, aber ich wollte ihn in Verlegenheit bringen.
»Docker? Docker, der Superstar? Meinst du den?«
»Genau den.«
»Ah … Ich melde mich wieder, ja?« Dann legte er auf.
Nach wenigen Sekunden rief er zurück.
»Das ging aber schnell«, sagte ich. »Gib sie mir durch.«
Ich rieb nur Salz in die Wunde. Ich wusste genau, dass er sie nicht hatte.
»Pass auf«, sagte er. »Du darfst John Joseph nicht nach Dockers Nummer fragen.«
»Warum nicht?«
»Weil er sie nicht hat. Das würde ihn nur kränken, und ich will nicht, dass seine Stimmung umschlägt, es ist so schon schwierig genug.«
»Gibt es Ärger zwischen ihnen?«
»Keinen Ärger. Sie haben keine Verbindung mehr, nichts Außergewöhnliches, aber John Joseph hat das Gefühl …«
Ich begriff. John Joseph glaubte, Docker ebenbürtig zu sein, und wollte mit ihm befreundet sein und gemeinsam Partys auf Jachten feiern und Kleinbauern in Ghana besuchen. Doch obwohl John Joseph ein dicker Fisch in einem kleinen Teich war, kannte Docker ihn nicht.
»Hat es Sinn, Frankie zu fragen?«, fragte ich. Das meinte ich nicht ernst. Frankie war ungefähr so nützlich wie eine Teekanne aus Schokolade.
»Du könntest es versuchen …«
»Roger?«
»Ach, damit würde ich mich nicht aufhalten. Warum fragst du überhaupt?«
»Es könnte sein, dass Docker Wayne hilft.«
»Docker? Hast du den Verstand verloren? Er lebt in einer komplett anderen Welt. Er würde den Unterschied zwischen Wayne Diffney und einem Loch im Boden nicht erkennen.«
»Da täuschst du dich, mein Freund.« Schnell fügte ich hinzu: »Das habe ich nicht so gemeint. Du bist nicht mein Freund. Es ist mir so rausgerutscht.«
»Helen, hör mal, wir brauchen doch nicht so …«
»Wir brauchen Dockers Nummer«, sagte ich noch einmal. »Sprich mit allen und melde dich erst wieder, wenn du mehr weißt.«
»Die Zahlungen sind durchgegangen«, sagte er. »Die an den Telefon- und den Banktypen.«
Er erwartete, dass ich ihm dankte. Aber es war schließlich sein Fall. Um mich zu vergewissern, dass es wirklich stimmte, sah ich schnell in meinen Mails nach. Ja, von beiden Quellen waren Bestätigungen eingegangen, dass sie das Geld bekommen hatten und den Auftrag bearbeiteten. Es war ehrlich gesagt eine Erleichterung, dass so nützliche Leute wie sie mich nicht länger auf der Schwarzliste führten. Ja, es begann sich sogar ein kleines Kribbeln in meinem Bauch auszubreiten – diese Leute waren gnadenlos und würden keinen Stein auf dem anderen lassen. Wer konnte wissen, was sie an Informationen herausbekamen? Dockers Telefonnummer wäre eines der kleineren Wunder, die sie enthüllen würden.
22
W as jetzt? Es war zehn vor drei. Digby, der möglicherweise der Taxifahrer war – und der Letzte, von dem ein Anruf auf Waynes Festnetzanschluss eingegangen war –, hatte sich nicht gemeldet, um seine »Belohnung« zu fordern, und mein Gefühl sagte mir, dass er es auch nicht tun würde. Irgendwas war in seiner Stimme, sie klang abgebrüht, ein bisschen überdrüssig.
Trotzdem beschloss ich, noch einen Versuch zu starten, und diesmal hatte ich die gute Idee, ihn von Waynes Anschluss aus
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