Glücksfall
Chiffonbluse. Ich sah, dass sie ihre Schuhe unterm Schreibtisch abgestreift hatte: ein Paar gelbe, schwarz gepunktete Riemchensandalen.
»Ms. Salaman, ich heiße Helen Walsh.« Ich gab ihr meine Visitenkarte. »Ich bin Privatdetektivin. Darf ich mit Ihnen über braune Papiertüten sprechen?«
»Aber sicher.«
»Gut! Schön!« Dann merkte ich, dass ich mit dieser Eröffnung nicht weiterkam. »Entschuldigung«, sagte ich verlegen. »Ich meinte, kann ich mit Ihnen über Wayne Diffney sprechen?«
Ihre Miene verschloss sich. »Wer hat Sie reingelassen?«
»Ihre Empfangsdame vorne.«
»Ich spreche nicht über Wayne.«
»Warum nicht?«
»Weil. Ich. Nicht. Über. Ihn. Spreche. Würden Sie jetzt bitte gehen?«
»Ich möchte Sie um Hilfe bitten.« Ich überlegte. Ich sollte ihr nichts Vertrauliches erzählen, aber wie sonst würde ich erreichen, dass sie mit mir sprach? »Wayne ist verschwunden.«
»Das ist mir egal.«
»Warum? Wayne ist ein netter Kerl.«
»Gut, wenn Sie nicht gehen, dann gehe ich.« Sie tastete unter dem Tisch mit den Füßen nach ihren Schuhen.
»Bitte erzählen Sie mir, was passiert ist. Sie und Wayne wirkten so glücklich.«
» Was? Woher wissen Sie das?«
»Ich habe ein Foto gesehen. Sie beide sahen so nach Kaschmir und Abercrombie and Fitch aus.«
»Sie haben private Fotos gesehen?«
»In seinem Haus.« Ich sprach schnell. Ich war zu weit gegangen. »Ich spioniere Ihnen nicht nach.« Doch, das tat ich wohl, aber nicht in schlechter Absicht.
Sie war schon an der Tür, die Hand auf der Klinke.
»Sie haben meine Nummer«, sagte ich. »Rufen Sie mich an, wenn Sie …«
Sie schoss quer durch das Zimmer, riss meine Visitenkarte in vier Stücke und warf sie in den Papierkorb. Dann war sie wieder an der Tür.
Ich musste es wagen, aber es war riskant, sie konnte mich dafür schlagen. »Birdie, wo kann ich Gloria finden? Waynes Freundin Gloria?«
Sie antwortete nicht. Sie marschierte am Empfangstisch vorbei und hätte beinahe die Tür aus den Angeln gerissen. Trotz ihrer hohen Absätze ging sie sehr schnell.
»Wohin gehst du?«, rief die unzufriedene Mutter ihr hinterher.
»Raus.«
»Bring mir ein Cornetto mit.«
24
W as für ein Reinfall!
Demoralisiert wie ich war, ging ich auf die Straße, lehnte mich an mein Auto und wartete, dass das Gefühl von Scham und Scheitern vorübergehen würde.
Nach einer Weile nahm ich mein Handy heraus. Wenn bis jetzt kein Text, keine E-Mail und kein Anruf eingegangen waren, dann würde später irgendwas eingehen. Wenn ich nur lange genug wartete, würde mein Handy mir Trost spenden. Ohne mein Handy würde ich sterben.
Es gab keine eingegangenen Meldungen, also wählte ich Arties Nummer, aber die Sprachbox sprang sofort an. Aus lauter Verzweiflung und dem Bedürfnis heraus, eine freundliche Stimme zu hören, rief ich Mum an.
Sie begrüßte mich voller Wärme, und das bedeutete, dass sie die Nacktfotos von Artie nicht gefunden hatte. »Claire ist nicht wiedergekommen, aber Margaret und ich haben den ganzen Tag ausgepackt«, sagte sie. »Wir machen es richtig schön für dich. Wie läuft der geheimnisvolle Auftrag mit Jay Parker?«
»Ach, na ja, ganz gut. Übrigens, weißt du zufälligerweise was über Docker?«
»Docker?« Sie klang erfreut. »Über den weiß ich jede Menge. Was möchtest du wissen?«
»Ach, alles. Wo wohnt er?«
»Man könnte sagen, er ist ein Weltbürger«, sagte sie und stieg in das Thema richtig ein. »Er ist ›überall auf der Welt zu Hause‹. Eine zweitausend Quadratmeter große Wohnung in einer alten Knopffabrik in Williamsburg. Trostlos. In People hat ein Artikel darüber gestanden, sie mussten so tun, als fänden sie es großartig, aber Heilige Mutter Gottes, es war, wie nennt man das noch? Degoutant. Das trifft es genau. Kahle Backsteinmauern, wie ein Flüchtlingslager, die Holzböden schäbig, und keine Zimmereinteilung, du weißt, was ich meine, nur Stellwände, die die verschiedenen Bereiche abtrennen, und so groß, dass er Rollschuhe braucht, um vom ›Schlafbereich‹ zum ›Toilettenbereich‹ zu kommen. Da kriegt man ja Albträume, wenn man sich das nur ansieht. Die Toilette mit Kettenspülung! Wenn ich das sehe, will ich mir gleich die Hände waschen. Man würde denken, wenn einer so viel Geld hat …« Sie seufzte schwer. »Und in New York hat er ein Zimmer im Chelsea Hotel, als Dauergast, und wenn man sich nur die Bilder ansieht, kribbelt es einen schon. Ist es zu fassen? Ich fange schon an, mich zu kratzen,
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