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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Angst.«
    »Wirklich? Sah es aus, als würde er gezwungen?«
    Sie wechselten Blicke. »Wenn Sie das so sagen …« Ein besorgter Ausdruck flog über Cains Gesicht, und er suchte bei Daisy Zustimmung.
    »Ja«, sagte sie. »Ja.«
    O nein!
    »Warum haben Sie nicht die Polizei gerufen?« Meine Stimme war schrill und panikerfüllt.
    Es entstand eine kleine Pause, dann sagte Cain: »Weil wir im Garten Cannabis anpflanzen.«
    »Und wir dachten nicht …«, sagte Daisy. »Wenn man sieht, wie jemandem ins Auto geholfen wird, denkt man ja noch nichts Schlimmes.«
    Verdammt. Ein großes schwarzes Auto, ein verängstigter Mann, der zum Einsteigen gezwungen wird? Was haben sie sich denn gedacht?
    »Haben Sie sich die Autonummer aufgeschrieben? Oder einen Teil?«
    »Ehhh, nein.« Offensichtlich waren sie gar nicht darauf gekommen. »Ich bin mir nicht sicher, dass ein Nummernschild dran war«, sagte Cain ein wenig trotzig.
    Das war kompletter Unsinn.
    Was waren das für Menschen? Zwei Kiffer, die zusahen, wie ein Mann entführt wurde, und dann gelassen weiter vor ihrer Jeremy Kyle Show saßen?
    Mir wurde ganz beklommen zumute. An dem Punkt verabschiedete ich mich von dem Fall. Ab jetzt konnte sich die Polizei drum kümmern. Mit Furcht einflößenden Männern, die dicke schwarze SUVs fuhren, konnte ich es nicht aufnehmen.
    Mir war es egal, dass Jay Parker auf Diskretion bestanden hatte. Das war schön und gut, solange man annehmen konnte, Wayne sei freiwillig abgehauen. Aber das hier war eine andere Größenordnung.
    Ich stand auf und warf mir meine Tasche über die Schulter.
    »Was werden Sie machen?« Daisy sah mich überrascht an.
    Dann war es an mir, überrascht zu sein. »Ein Mann ist entführt worden«, sagte ich und stand schon an der Wohnzimmertür.
    »Sie können nicht einfach gehen«, sagte Cain.
    Von meinem inneren Gefühl getrieben, beeilte ich mich und stand schon im Flur, als Daisy mich zu meinem Entsetzen am Ärmel zupfte und wieder ins Zimmer ziehen wollte. Ich schüttelte sie ab und sah dann, dass Cain zwischen mir und der Tür stand und mich am Gehen hinderte.
    Was sollte das? Was wollten sie von mir? Ich war verwirrt, verstört, ich hatte richtig Angst.
    »Das können Sie nicht tun«, sagte Cain.
    »Das wollen wir doch mal sehen«, sagte ich spontan und kämpferisch.
    »Dass Sie das wirklich tun wollen«, sagte Daisy. »Sie gemeine Zicke.« Zu meiner Bestürzung brach sie in Tränen aus und fing an zu schluchzen. »Stimmt doch, ihr seid alle Zicken.«
    Cain stand mit dem Rücken zur Tür. Mein Gesicht war zehn Zentimeter von seinem entfernt. Wir starrten uns an. Ich musste einen Moment warten, bis ich den Stahl in meinem Inneren gefunden hatte, und zwang die Härte in meinen Blick.
    »Lassen Sie mich gehen«, sage ich.
    »Ach, lass sie«, sagte Daisy. »Zicke.« Sie wedelte mit ihrem Handy. »Sehen Sie!«, brüllte sie mich an. »Wir bestellen jemand anders! Sofort! Sie können sich verpissen.«
    »Aber …«
    »Wir brauchen Sie nicht, wir haben andere Möglichkeiten.«
    Dann trat Cain zur Seite, ich hatte die Hand am Türgriff, die Tür ging auf, es war wie im Film. Plötzlich war ich draußen und atmete tief ein. Freiheit!
    Ich fing sofort an zu rennen, zu meinem Auto. Meine Hände zitterten, das Herz schlug mir bis zum Halse, und ein heißes Prickeln lief über mein Gesicht. Was, um Himmels willen, hatte das alles zu bedeuten gehabt? War ich soeben Zeuge von der schlimmen Wirkung von Marihuana geworden? Oder waren sie durch die Hoffnungslosigkeit anhaltender Arbeitslosigkeit in den Wahnsinn abgeglitten?
    Ich kam zu meinem Auto und stieg ein. Ich setzte nicht den Blinker, ich guckte nicht, ob die Straße frei war, ich löste nicht einmal die Handbremse, ich fuhr einfach los.

27
    B evor ich wusste, wie mir geschah, war ich bereits auf der Küstenstraße in Richtung Stadt. Ein schrilles Geräusch vom Armaturenbrett forderte mich auf, die Handbremse zu lösen. Ich zog an dem Griff, und das Kreischen hörte auf. Zum Glück.
    Jetzt mal eins nach dem anderen. Vor Cain und Daisy, den beiden Übergeschnappten, war ich erst mal in Sicherheit. Ich saß in meinem Auto, und das Kreischen hatte aufgehört. So weit, so gut. Aber Wayne Diffney war entführt worden, und darüber musste ich die Polizei informieren, und allein bei diesem Gedanken rauschte eine schreckliche Welle der Verzweiflung durch mich hindurch. Man macht sich ja keine Vorstellung, wie das bei der Polizei ist. Dort geht alles mit unerträglicher Langsamkeit

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