Glücksgriff
und legte die Blumen auf den Tisch im Flur. Dann sagte er: »Hör mir nur eine Minute zu, ja? Es ist wegen Miles. Ich habe dir vorher nicht geglaubt, aber jetzt tue ich es. Und es tut mir Leid.«
»Es tut dir Leid, dass du mir nicht geglaubt hast oder dass er tot ist?« Miranda schob die Hände in die Taschen ihres dunkelblauen Fleecepullovers. Das Wetter hatte sich dramatisch verschlechtert in den letzten Tagen, und seit sie in den Sechs-Uhr-Nachrichten die Beerdigung angeschaut hatte, hatte sie nicht mehr aufhören können zu zittern.
»Beides. Ich wäre früher gekommen, aber ich dachte, du wolltest mich vielleicht nicht sehen.« Er zögerte. »Ich dachte, ich hätte dich genug genervt.«
Man stelle sich das vor, staunte Miranda. Danny Delancey hat ein Gewissen.
»Wie hast du es rausgefunden?«
»Ich habe das Interview vor dem Rennen gesehen. Er hat dein Kupferschwein getragen … über dich geredet … mir wurde klar, dass alles stimmte.«
»Ach ja, keine Sorge«, sagte Miranda. »Es hätte sowieso nie geklappt. Wie du so freundlich erklärt hast. Noch ein paar Wochen, und er wäre weg gewesen, hinter einer anderen her.«
»Wo ist denn Chloe?«
»Geburtsvorbereitung. Lernt, wie man atmet.«
»Und Florence?«
»Die jugendliche Heldin? Immer noch mit Tom in Schottland.« Miranda lächelte und erinnerte sich noch einmal an den schockierten Gesichtsausdruck des Postboten, als er auf Florence’ letzte Karte geschaut hatte. »Sie besuchen alte Freunde aus der Zeit bei der Armee.«
»Warst du heute Nachmittag auf der Beerdigung?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Rate doch mal.« Dann sagte Miranda leise: »Sie war heute Morgen im Salon, um sich dafür frisieren zu lassen.«
»Daisy Schofield«, erriet Danny.
»Wer sonst? Und stell dir vor, sie hat einen Fotografen von
Hi!
mitgebracht.« Miranda verstellte ihre Stimme. »Um Bilder von der trauernden Verlobten zu schießen, während sie sich darauf vorbereitet, Abschied von der großen Liebe ihres Lebens zu nehmen.«
»Das ist nicht dein Ernst.« Danny sah entsetzt aus. »Und Fenn hat sie frisiert?«
»Nein. Er hat ihr gesagt, wir seien ausgebucht, und hat sie weggeschickt, sie solle ihr Glück bei Nicky Clarke versuchen.«
»Hast du Hunger?«, fragte Danny. »Lass mich dich zum Abendessen einladen.«
Es war Freitagabend. Vor genau einer Woche um diese Zeit, erinnerte sich Miranda, waren sie zusammen auf einen Versöhnungsdrink gegangen. Und es hatte nicht gut geendet.
»Ich weiß nicht.« Es kam ihr ein bisschen sinnlos vor. Sie hatte noch nicht mal Hunger.
»He, ich versuche, mich hier zu entschuldigen.« Danny hielt die Handflächen nach oben. »Tu’s für mich, ja? Wo auch immer du hingehen magst.«
»Wo auch immer? Nun gut«, sagte Miranda, »wenn du das sagst …«
Die Brücke über die M 1 war auf beiden Seiten mit Blumen überhäuft, ihre Zellophanhüllen knisterten in der steifen Brise. Kerzen flackerten in Gläsern zwischen den bunten Sträußen. Trauernde gingen die Brücke entlang, blickten schweigend auf die Fahrbahn Richtung Süden, wo der Unfall passiert war, und weinten an den Schultern der anderen.
Miranda weinte nicht. Sie vergrub die Hände tiefer in den Taschen ihrer Fleecejacke und blickte stumm auf das bewegte Geschehen unter ihr. Wie konnte der Verlust von jemandem, den sie nur ein paar Tage gekannt hatte, ihr so nahe gehen?
Ihre Finger schlossen sich um das Kupferschwein in ihrer Tasche. Während sie über seine beruhigend vertrauten Kurven strich, kam Danny von hinten zu ihr heran. Er war ein paar Minuten diskret zurückgeblieben und legte nun eine Hand auf Mirandas Schulter.
»Okay?«
»Okay.«
»Ich habe ein Taschentuch, wenn du eins brauchst.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weine nicht mehr. Ich habe schon genug geweint.«
»In Ordnung.«
»Ich habe dich übrigens letzte Woche angelogen.« Miranda drehte sich zu ihm um, und ihre dunklen Augen schimmerten. »Als du mich gefragt hast, ob ich mit ihm geschlafen hätte, habe ich ja gesagt.« Sie hielt inne. »Nun, das hat nicht gestimmt. Ich habe es nie getan.«
Erleichtert darüber drückte Danny ihre Schulter.
»Ist egal.«
»Es ist nicht egal«, sagte Miranda. »Ich wünschte, ich hätte es getan.«
52
Der Sommer ging zu Ende, und der Herbst fegte mit Macht heran. In der zweiten Septemberwoche hagelten Gewitter auf das Land hernieder, Winde in Hurrikanstärke rissen das Laub von den Bäumen, und bei dem dramatischen Sinken der Temperaturen war
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