Glückskekssommer: Roman (German Edition)
weitergehen. Ich muss aufs Klo und will wirklich nach Hause. Ich hoffe, Basti hat nun auch genug von dieser Kirmes. Im selben Moment setzt sich unser Wagen schleppend in Bewegung. Endlich!
»Juhu«, schreien wir beglückt.
Vicki reckt siegesgewiss den Arm in die Höhe.
Unsere Gondel kracht durch eine Schwenktür. Endlich lassen wir die scheußliche Kapelle hinter uns. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.
Oh doch – es kann!
Ein paar Meter vor uns, mitten auf den Schienen, steht Lila mit schreckgeweiteten Augen.
Wir fahren im Schritttempo auf sie zu.
»Hau ab!«, schreit Vicki und wedelt mit den Armen.
»Ich kann nicht«, brüllt Lila in Panik zurück. »Ich klemme fest.«
Oh, mein Gott! Ihre spitze Sandale mit dem Pfennigabsatz hat sich in einer Art Weiche verhakt. Sie kommt nicht vor und nicht zurück.
»Mach den Schuh auf«, schreie ich.
Dabei weiß ich doch, dass es viel zu spät ist. Lila ist wie ein Reh. Anstatt zu flüchten, steht sie schreckstarr da und lässt sich von uns überfahren. Noch drei Meter, noch zwei …
Gleich wird der Wagen Lila umhauen und ihr Bein wird unter dem Gewicht zermalmt werden. Nein!!! Lila!
Vicki reagiert ganz plötzlich. Sie springt von der Gondel, rast auf Lila zu und zieht sie mit einem kräftigen Ruck aus dem Schuh. Lila stürzt mit einem Riesengepolter in die Kulissen. Genau in die Arme eines untersetzten Trolls, der einen Eimer voller glitschiger Augen trägt. Vicki jedoch strauchelt in die andere Richtung – genau vor unsere Gondel.
Das Geräusch, als unser Wagen sie am Kopf trifft, ist gruseliger als die ganze Geisterbahn.
*
»Wo bin ich?«
Gott sei Dank! Vicki wacht auf.
Seit drei Stunden sitze ich an ihrem Krankenhausbett, starre auf ihren dick bandagierten Kopf und hoffe, dass sie das eine Auge, das nicht verbunden ist, öffnet und mit mir spricht.
»Im Krankenhaus«, sage ich und wische mir ein paar Freudentränen ab. »Du hattest einen Unfall.«
»Wo ist Dani?«
»Draußen. Er telefoniert mit deinen Eltern. Sie sind furchtbar aufgeregt.«
»Was ist denn passiert?«
Scheinbar kann sie sich an nichts erinnern. »Du hast dich vor unsere Gondel geworfen, in der Geisterbahn.«
»Du machst Witze!«
»Doch, hast du«, wiederhole ich. »Wegen Lila. Um sie zu retten.«
»Wegen Lila?« Vicki starrt mich an, als ob ich vom Mond komme. Dann zeigt sie mir einen Vogel. »Niemals! Ich bin doch nicht bescheuert.«
»Ähm, du … äh«, stottere ich wenig hilfreich.
»Ich kann dich hören.«
»Wer war das?« Vicki versucht mühsam den Kopf zu wenden.
»Na ja«, sage ich. »Es … Es ist Lila. Sie ist hier.«
»Wieso das denn?«, krächzt Vicki entsetzt.
»Du hast mir das Leben gerettet«, sagt Lila. Sie tritt jetzt in Vickis Sichtfeld. »Und dafür werde ich dir ewig dankbar sein.«
Vicki schaut mich Hilfe suchend an. »Sag mir, dass ich halluziniere, ja?«, flüstert sie so laut, dass Lila es hören muss.
Nun ja, zugegeben, Lila hat wieder mal ein wenig übertrieben. Aber in diesem Fall ist es in Ordnung, denn was Vicki getan hat, war einfach heldenhaft. Lilas Leben war zwar nicht wirklich in Gefahr, aber immerhin ihr Bein. Und wer weiß, wie schlimm es geworden wäre, wenn unser Wagen sie wirklich überrollt hätte.
»Es ist wahr«, sage ich.
Ich bin heilfroh, dass es so und nicht anders ausgegangen ist.
Beide haben ein wahnsinniges Glück gehabt. In dem Moment, als Lila dem Troll mit dem Augeneimer in die Arme stürzte, kam nämlich auch Rob zurück. Er erfasste die Situation in einer Zehntelsekunde und riss die bereits ohnmächtige Vicki von den Schienen. Daniel und Basti waren blitzschnell aus dem Wagen gesprungen. Basti kümmerte sich sofort um Vicki. Daniel fischte Lila, die heftig am Fuß blutete, aus der Kulisse. Rob rannte wieder nach draußen, damit die Bahn erneut gestoppt wurde. Es sah aus wie bei einer hundertmal geprobten Katastrophenschutzübung. Jeder wusste, was er zu tun hatte und tat das auch. Ich zückte mein Handy und rief einen Krankenwagen. 20 Minuten später waren wir in der Klinik. Dort wurde Lilas Fuß verarztet. Sie durfte noch am selben Abend nach Hause. Aber sie ging nicht. Still hockte sie sich neben Daniel, Sebastian und mich, um zu warten, was die Untersuchung von Vickis Kopf ergeben würde. Basti hatte die Notversorgung gemacht. Aber Vicki lag nicht in seiner Klinik, sodass er auch nichts tun konnte, außer mit uns zu warten. Nach einer Stunde mit Wundversorgung (sie hatte starke Abschürfungen), MRT
Weitere Kostenlose Bücher