Glückskekssommer: Roman (German Edition)
eindeutig zweideutig. Kann er vielleicht doch hören, was ich denke?
»Also gut«, sagt er und zeigt nach vorn. »Da ist es.«
Meine Augen folgen, Schlimmes ahnend, seinem ausgestreckten Zeigefinger.
›Monsterwhirl‹, lese ich mit Entsetzen.
»Da staunst du, was?«
In der Tat. Und in zwei Minuten wird er staunen, nämlich darüber, wie eine gesunde junge Frau sich blitzschnell in einen grünen, kotzenden Oger verwandeln kann. Es geht nicht. Ich muss es ihm jetzt sagen. Liebe hin. Opfer her. Doch als ich gerade Luft hole, sehe ich eine Lösung, die mich nicht ganz so blass aussehen lässt.
»Schau mal da«, schreie ich.
Wir stehen nämlich direkt vor dem Eingang zu einer Geisterbahn. Ein riesiger Vampir schwebt über dem Tor und winkt uns mit gefletschten Blutzähnen zu.
» Darauf stehst du?«, fragt Basti lachend.
»Und wie«, sage ich.
Ich ziehe ihn nun meinerseits. Aus diesem schrecklichen Wirbeldings quellen schrille Hilfeschreie. Bloß weg hier! Die Geisterbahn ist entschieden das kleinere Übel. Sie wird sich ganz bestimmt nicht drehen. Mit ein paar lächerlichen Pappgeistern werde ich schon fertig. Ich bin zufrieden, denn nun stehe ich vor meinem Freund doch nicht als Spaßbremse da. Wenn wir durch die dunklen Gänge fahren, werde ich ihm sehr überzeugend darlegen, warum wir im Anschluss ganz schnell nach Hause müssen – ohne Umweg über ›Monsterwhirl‹ und andere Folterinstrumente.
Kurz darauf setzt sich unser Wagen in Bewegung. Kaum haben sich die Türen hinter uns geschlossen, streckt eine überdimensionale, schwarze Spinne ihre acht haarigen Beine nach uns aus. Ich werfe mich mit Inbrunst in Bastis Arme und beginne entschlossen mit der Überzeugungsarbeit.
»Hey!«, sagt er überrascht. »Du bist ja stürmisch. Wollen wir es hier drin machen?«
Bloß nicht! Dann hat er ja keinen Grund mehr, gleich mit mir nach Hause zu fahren. Ich darf es also nicht übertreiben. Während ich Basti zärtlich streichle und küsse und dabei selbst ganz schwache Knie kriege (Wie gut er sich anfühlt! Wie sehr ich seinen Duft liebe!), ruckelt der Wagen mit uns gemächlich durch die Ausgeburten menschlicher Albträume.
»Die Geisterbahnen früher waren irgendwie harmloser«, sage ich.
Ich schließe entsetzt die Augen. Diese Vampirlady, die gerade einen blassen schlaffen Jüngling im Arm hält, sieht total echt aus. Sie fletscht die spitzen Zähne. Aus ihrem Mund trieft Blut.
Ich weiß, das sind hier alles Puppen, aber es ist trotzdem besser, wenn ich mich Basti und nicht dem Horror um uns herum widme. Seit ich als Achtjährige heimlich ›Dracula jagt Minimädchen‹ gesehen habe, bin ich – nun ja – manchmal ein wenig schreckhaft.
Ich hocke mich auf Bastis Schoß. Dabei öffne ich noch einmal kurz die Augen. Gerade fahren wir durch eine Art Kapelle, in der lauter geschlossene, schwarze Särge stehen. Sofort kneife ich die Augen wieder zu. Mir ist vollkommen klar, dass die Dinger jeden Moment aufgehen, um uns ihren erschütternden Inhalt zu präsentieren. Ich will aber gar nicht wissen, was da drin ist. Der Wagen fährt jetzt zu allem Überfluss besonders langsam.
Basti genießt es merklich, dass ich mich wie eine Klette an ihn presse. Sein Atem geht schwer. Meiner auch. Aber aus anderen Gründen. Ich habe panische Angst!
Mit einem Mal ruckt unser Wagen heftig und bleibt stehen – mitten in der Kapelle des Grauens. Zu allem Überfluss wird es auch noch eine Spur dunkler im Raum. Diese Geisterbahnbesitzer übertreiben aber wirklich maßlos!
»Was ist denn jetzt los?«, fragt Basti irritiert.
Er zieht mein Shirt wieder dahin, wo es hingehört.
»Vielleicht muss das so sein«, sage ich ängstlich.
Ich rechne fest damit, dass uns jetzt irgendetwas Ekelhaftes anspringt. Zum Glück bin ich mit einem Arzt hier drin. Bestimmt weiß Basti, was er machen muss, wenn mein Herz plötzlich stehen bleibt. Nach einer Minute tut sich noch immer nichts. Der Wagen steht. Um uns ist schwarze Nacht. Es ist totenstill. Meine Nerven sind gespannt wie Drahtseile.
»Basti, das gefällt mir nicht«, jammere ich.
»Das ist bestimmt ein Stromausfall.«
»Hör doch mal«, quieke ich und berge entsetzt meinen Kopf an seiner Schulter. »Da ist was.«
Vor der Kapelle sind wir an einem Henker mit gezücktem Hackebeil vorbeigefahren, der einen knienden, gefesselten Menschen in seiner Gewalt hatte. Wahrscheinlich ist er jetzt mit ihm fertig und macht sich auf den Weg zu uns, seinen nächsten Opfern. Ich höre schon
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