Glückskekssommer: Roman (German Edition)
ausruhe.«
Mit diesen Worten schiebt sie mich in die Tür. Ich kneife die Augen zu und will überhaupt nicht sehen, was sich hinter dieser grausigen Fensterscheibe verbirgt. Wider Erwarten ist es gar nicht so schlimm. Die Werkstatt von Margret Sonnemann besteht aus einem einzigen großen Raum. Alle wichtigen Schneiderwerkzeuge sind vorhanden – Nähmaschinen, Schneiderpuppe, Bügelstation und ein Tisch für den Zuschnitt. Es ist nicht gerade schick und die Einrichtung ist museal, aber wenigstens stinkt es nicht nach Zigarettenrauch. Zum Glück raucht sie nur draußen. Auf den Kleiderstangen hängen Hosen, Jacken, Anzüge. Sie hat offensichtlich reichlich Kundschaft.
Wenn sie ihr großes Schaufenster nicht komplett mit Holz verkleidet hätte, wäre es sogar hell in dem Laden und sie könnte statt unter einer Neonfunzel bei Tageslicht arbeiten.
Ich entspanne mich ein wenig. Aber will ich wirklich hier arbeiten?
»So ein schickes Mädchen hier bei mir«, sagt Frau Sonnemann noch einmal verwundert und mustert mich. »Du kannst doch wohl jede andere Stelle haben.«
Kann ich das? Wohl kaum.
Sie sieht es mir zum Glück nicht an, aber ich habe überhaupt keine Wahl. Ich muss nehmen, was ich kriegen kann. Mein Entschluss steht blitzschnell fest. »Ich will aber keine andere Stelle«, sage ich und werde nicht mal rot. »Ich will genau hier hin. Jawohl!«
Offensichtlich ist es nicht bis zu ihr vorgedrungen, dass ich die sabotierende Hexe mit dem Engelsgesicht bin. Ist auch besser so. Margret Sonnemann schüttelt trotzdem ungläubig den Kopf.
»Das kannst du dem Weihnachtsmann erzählen«, sagt sie direkt. »Aber wenn du gut arbeitest, ist mir egal, warum es dich ausgerechnet zu mir verschlagen hat. Zahlen kann ich nicht viel. Das ist dir wohl klar.«
Sie nennt mir eine Summe, bei der nach Abzug der Miete noch etwas Geld für die Samariter-Suppenküche übrigbleibt. Jetzt zu behaupten, mir wäre das Geld nicht so wichtig, ist wohl zu dick aufgetragen. Also nicke ich nur. Sie grinst mich breit an und zeigt dabei zwei Reihen erstaunlich makelloser Zähne.
»Also abgemacht«, sagt sie. »Zur Feier des Tages lade ich dich drüben ins ›Schraders‹ bei den beiden Jungs ein. Die machen einen wirklich guten Kaffee.«
Sie will weder Zeugnisse sehen noch fragt sie nach meinen Berufserfahrungen. Aber meinen Namen sollte sie doch wenigstens wissen
»Ich heiße übrigens Rosa«, hauche ich vorsichtig.
Alle anderen Meisterinnen haben in diesem Moment plötzlich keine Stelle mehr frei gehabt. Wie wird sie reagieren?
»Rosa Redlich.«
Um ihre Lippen spielt ein feines Lächeln. »Angenehm«, sagt sie fröhlich. »Darf ich Rosi zu dir sagen? Ich hatte mal einen Pinscher, der hieß so. Er war etwas Besonderes, wirklich ein verdammt kluges, kleines Hundchen.«
Ich glaube, ich trinke statt Kaffee lieber einen Grappa. Irgendetwas, was so richtig brennt!
*
Am Abend erzähle ich Lila von meiner neuen Wirkungsstätte. Sie amüsiert sich prächtig über mich. Ich lache meistens mit, was aber eher daran liegt, dass ich gern lache und nicht daran, dass ich meine Situation so witzig finde. Aber gut, ich habe Arbeit und das Herumsitzen hat ein Ende. Angesichts der geringen Bezahlung beschließe ich, mein letztes Geld lieber doch nicht für ein Essen mit Rob auszugeben, sondern es als klitzekleinen Notgroschen zurückzuhalten. Ich werde ihn einfach ohne Vorspeise in mein Bett locken.
»Morgen koche ich was Schönes für uns beide«, sage ich froh zu Lila. »Und hole eine Flasche Wein. Es ist zwar nicht der Traumjob, aber ich bin glücklich, dass ich endlich etwas gefunden habe.«
Lila guckt mich schief grinsend an. »Soll das eine Feier werden, oder was?«, fragt sie. »Mit Tiefkühlpizza? Oder Ravioli aus der Dose? Was hast du dir Leckeres ausgedacht?«
Ich grinse zurück, etwas unsicher allerdings. Sie ist ja so schnippisch heute. »Ja, eine kleine Feier«, antworte ich, so ungezwungen wie möglich. »Ich kann wieder Miete zahlen. Das ist doch was, findest du nicht?«
Ich halte ihr meine Hand hin. »Schlag ein!«
Das macht Rob manchmal. Bei ihm sieht es cool aus.
»Oh Mann!«, sagt Lila und rührt sich nicht. »Du bist echt weit gesunken, Rosa.«
Mir vergeht das Lächeln. Ich starre Lila entsetzt an. »Das meinst du nicht ernst, oder?«
Aber Lila nickt und starrt zurück. »Doch«, sagt sie. »Du im tiefsten Wedding, Rosa. Das ist ja wohl das Allerletzte.«
Ich springe auf und stürze in mein Zimmer. Da werfe ich mich
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