Glückskekssommer: Roman (German Edition)
mir geht. Ich hatte keine Lust, mit ihr zu sprechen, und fertigte sie brüsk ab.
»Keine Zeit. Muss lernen, Physikum und so, weißt du?«
Dabei las ich gerade eins von Lilas Dr. Cordes Heftchen. Hatte ja irgendwie auch was mit Medizin zu tun.
Das vorletzte Mal, als wir miteinander zu tun hatten, das muss während unserer langen, gemeinsamen Schulzeit gewesen sein und da gab es keinen Tag, an dem Lila und ich nicht irgendwelchen Schabernack mit Vicki angestellt haben. Sie war ein eigenwilliges Pummelchen und außerdem blind wie ein Maulwurf, wenn sie nicht ihre einen Meter dicken Brillengläser auf der Nase hatte. Viktoria Liesen war definitiv das unbeliebteste Mädchen unserer Klasse, wenn nicht sogar der ganzen Schule.
Jetzt steht sie also vor mir. Ein Pummelchen ist sie heute nicht mehr. Im Gegenteil, sie ist groß und sehr schlank. Aber eine Brille trägt sie immer noch, so eine eckige mit schwarzem Rand. Klug sieht sie aus damit und … na ja, irgendwie attraktiv. Lange rotbraune Haare umrahmen ihr schmales Gesicht. Lieber Himmel! Sie ist ja eine richtige Schönheit geworden. Das muss ich Lila erzählen.
Sie kneift jetzt die Augen zusammen und starrt in meine Richtung. »Rosa, bist du es wirklich?«
Ja, stell dir das mal vor. Ich kriege kein Wort über meine Lippen.
»Was machst du hier?«, fragt sie. Sie kommt, frech grinsend, einige Schritte auf mich zu. »Dein Cleanicum?«
Aua, das sitzt.
Ihr Gedächtnis funktioniert prima und wäre ihr Witz nicht auf meine Kosten gegangen, hätte ich mich wahrscheinlich schlapp gelacht.
Cleanicum! Ha, ha, ha!
»Ach, ihr kennt euch?«, fragt meine Chefin. Sie strahlt über beide Ohren. »Das ist ja ein toller Zufall. Kommt, wir gehen auf einen Kaffee zu den Jungs.«
Wenn das hier so weiter geht, werde ich Alkoholikerin. Ich könnte nämlich schon wieder einen Grappa vertragen.
Glückskeks 4
Eine neue Freundschaft wird dich verzaubern.
»Tut mir leid wegen vorgestern«, sagt Lila. »Ich weiß auch nicht, was da mit mir los war.«
Wir sind zusammen im Bad. Seit ich wieder arbeiten gehe, stehen wir morgens zur gleichen Zeit auf.
»Ist schon gut«, antworte ich. »Jeder hat mal einen schlechten Tag.«
»Ich habe nur schlechte Tage, seit Micha weg ist.«
Auf einmal sieht sie aus, als würde sie gleich losheulen. Von ihrem Ex-Freund hat sie ewig nicht geredet. Ich habe gedacht, sie hätte ihn längst vergessen.
»Fehlt er dir noch immer?«, frage ich.
Eigentlich wollte ich meine Haare föhnen, aber jetzt ist es wichtiger Lila zuzuhören. Ich setzte mich auf den Klodeckel und schaue zu, wie sie sich ihre langen Haare zu zwei Zöpfen flicht.
Sie sieht viel jünger aus als sie ist, noch richtig mädchenhaft – und sehr verletzlich im Moment. Ein Engelsgesicht, genau wie ich. Nur meine Haare sind etwas kürzer.
»Micha fehlt mir nicht mehr«, antwortet sie zögerlich. »Aber einer, mit dem ich einfach glücklich zusammen sein kann schon.«
»Du findest bald jemanden«, sage ich. »Da bin ich sicher.«
»Vielleicht habe ich ihn ja schon gefunden.«
»Wirklich? Das wäre ja …«
»Warum kümmerst du dich eigentlich gar nicht mehr um Rob?«, unterbricht sie mich.
»Wie meinst du das?« Wer hat denn hier laufend angerufen in den letzten Wochen?
»Du hast keine Ahnung, wie gut du es hast.«
»Ich?«, frage ich verdattert.
Sie bringt mich ganz durcheinander mit ihrem ständigen Themenwechsel. Außerdem habe ich es überhaupt nicht gut. Bei all dem, was in den letzten Wochen geschehen ist, halte ich mich eher für einen ausgemachten Pechvogel.
»Na ja«, sage ich vorsichtig. Ich weiß wirklich nicht, worauf sie hinauswill, und ich möchte auf keinen Fall, dass sie wieder so zickig wird wie neulich. »Das kommt ganz auf die Betrachtungsweise an, Lila. Du hast den besseren Job, die tolle Wohnung und … jemanden gefunden?«
Sie reagiert nicht.
»Nun erzähl doch mal.«
»Es ist kompliziert.«
Sie will nicht reden. Aber irgendwie doch, sonst hätte sie mir nicht lauter kleine Bröckchen hingestreut, die mich neugierig machen. Mir schwirrt der Kopf. Dann setzt Lila, um die Verwirrung komplett zu machen, noch einmal nach.
»Liebst du Rob überhaupt noch?«
»Wie kommst du denn darauf?«, frage ich überrumpelt. »Natürlich liebe ich ihn. Wir … Wir haben uns nur ein paar Tage nicht gesehen.«
Oder sind es Wochen? Ich habe keine Ahnung.
In letzter Zeit war ich viel zu beschäftigt mit meinen Problemen. Und dabei kam Rob irgendwie gar nicht
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