Glückskekssommer: Roman (German Edition)
beiden Blondschöpfe gehorchen und trollen sich durch die Terrassentür nach draußen.
»Das ist so«, sagt Elisa und rauft sich die Haare. »Frau Hermann hat mich angeheuert für zwei Tage die Woche jeweils zwei Stunden. Ich habe gesagt, das mache ich. Am Anfang lief es ganz gut. Aber dann rief sie irgendwann an, dass es später wird … und dann wieder. Immer später. Jetzt bin ich fünf Tage hier und fast immer fünf Stunden. Manchmal kann ich eben nicht mehr. Ich muss ja abends noch für die Schule lernen.«
»Und warum machst du das?«, frage ich erstaunt.
Das ist ja ein Vollzeitjob! Als Teenie will man doch mal was anderes machen, als die Kinder fremder Menschen hüten.
»Na ja«, druckst sie herum. »Sie zahlt 15 Euro die Stunde.«
Das sind 75 Euro am Tag, sind 375 Euro in der Woche, sind 1.500 Euro im Monat.
Das Mädchen verdient mehr als ich – und das ohne Steuerabzug.
Ich habe ja von solchen Sachen keine Ahnung, aber wenn mich nicht alles täuscht, nennt man das hier Schwarzarbeit. Na ja, ich komme ja nicht wirklich vom Amt. Soll Karls Tochter doch mit ihrem Geld machen, was sie will.
Aber die Kinder!
Hat Karl nicht gesagt, dass sie wütend auf ihn ist, weil er nie da war?
»Kriege ich jetzt den Eintrag?«, fragt Elisa und schaut mich mit großen Augen an.
»Nein«, sage ich. Meine Gedanken fahren Achterbahn. »Ich werde darauf verzichten«, antworte ich. »Aber du solltest ab sofort darauf bestehen, dass du nicht mehr als die vereinbarte Zeit hier arbeitest.«
»In Ordnung, danke sehr«, sagt sie.
Es fehlt gerade noch, dass sie einen Knicks macht.
»Ähm, ich … Sonst bin ich nicht so«, sagt sie entschuldigend. »Wir haben viel Spaß, die Jungs und ich. Ihre Mutter, die hat wirklich nie Zeit und der Vater, der kommt noch später. Die Kleinen können einem fast ein bisschen leidtun.«
»Für heute kannst du gehen«, sage ich. »Ich werde warten und aufpassen, bis die Eltern zu Hause sind.«
*
Nach vier Stunden Angel basteln, Mathematikaufgaben lösen und Fangenspielen, sind die Eltern von Leon (der Große) und Luca (der Kleine) noch immer nicht zu Hause. Die Kinder haben Hunger. Ich brauche eine halbe Stunde, um in dieser Riesenküche durchzublicken und den Herd anzukriegen, der überhaupt keine Knöpfe zum Drehen hat. Zum Glück finde ich Mirácoli im Schrank. Das kann jeder kochen, und ich muss die Kinder nicht mit meinen zweifelhaften Kochkünsten beglücken. Die beiden essen mit Appetit. Ich schaue ihnen zu und überlege dabei, ob ich nicht die Polizei rufen sollte. Elisa hatte zwar gesagt, dass die Eltern spät kommen. Aber so spät? Inzwischen ist es fast 20 Uhr. Sie haben nicht mal angerufen. Die beiden Jungen nehmen es lockerer als ich. Anscheinend kennen sie es wirklich nicht anders.
Von Leon und Luca habe ich erfahren, dass ihre Eltern Anwälte sind. (»Wenn Leute sich sehr streiten, dann helfen Mama und Papa, damit sie sich wieder vertragen und dass sie nicht ins Gefängnis müssen. Dafür bekommen sie dann viel Geld.«)
Luca reibt sich die Augen und kuschelt sich auf meinen Schoß, während Leon den überdimensionalen Fernseher einschaltet. Er will sich einen Vorabendkrimi anschauen, aber ich bestehe darauf, dass er zum Kinderprogramm weiterzappt. Da läuft ›Wickie‹. Das habe ich als Mädchen selbst gesehen und kann es als kindergerecht absegnen. Eigentlich macht Babysitten Spaß, vor allem, wenn man zwei so süße Kerlchen wie die Enkel von Karl hütet.
Irgendwann, als ich auf der weichen Samtcouch schon fast einnicke, dreht sich endlich der Schlüssel im Schloss. Die Frau, die eintritt, trägt ein graues maßgeschneidertes Kostüm und eine weiße Seidenbluse. Ihre hellblonden Haare sind kurz geschnitten. Ein Paar todschicke Perlenohrringe blitzt darunter hervor. Eine Krokodilleder-Aktentasche und ein schwarzer Trenchcoat ergänzen den edlen Look. Angelika Hermann, geborene Kasulke, ist – obwohl nicht mehr ganz jung – eine wirklich attraktive Frau.
Als sie mich sieht, stutzt sie. »Wo ist Elisa?«
Vorsichtig bette ich den schlafenden Luca von meinem Schoß auf das Sofa und erhebe mich. Leon winkt seiner Mutter lässig zu und schaut dann weiter seine Serie. Meine Jugendamtsmaskerade kann ich jetzt unmöglich weiterführen. Wenn ich nur wüsste, was richtig ist. Ehrlichkeit oder ein bisschen Flunkern? Ich entscheide mich spontan für Ersteres. Lügen sind wie Irrgärten. Man verläuft sich gern drin – besonders ich.
»Ich bin Rosa Redlich«,
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