Glückskekssommer: Roman (German Edition)
bisschen frisch gemacht hat, gehen wir über die Straße ins
›Schraders‹.
»Ich wusste gar nicht, dass du eine Zwillingsschwester hast«, sagt Jens zur Begrüßung.
Wir lachen.
»Wir sind Cousinen«, sagt Lila. Sie lächelt ihn kokett an und wirft die Haare in den Nacken. Na bitte, ein bisschen Flirten geht doch schon wieder.
»Das glaub ich nicht.« Jens lässt nicht locker.
»So eine Ähnlichkeit habe ich ja noch nie gesehen«, bekräftigt er. »Was wollt ihr haben? Einen Twin-Eisbecher mit zwei Löffeln?«
Wir nicken beide. Jens hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir haben nämlich genau den gleichen Eisgeschmack. (Und nicht nur den!)
»Mit Erdbeeren und Schlagsahne«, sagen wir unisono.
»Faszinierend. Wie zwei Eier aus der Legefabrik.« Jens geht lachend und kopfschüttelnd davon.
Lila streckt ihre Hand über den Tisch. »Schön, wieder bei dir zu sein«, sagt sie.
Ich frage mich ernsthaft, wie ich es so viele Wochen ohne ihr süßes Sommersprossengesicht aushalten konnte. Nach dem Eisbecher lassen wir uns noch Kaffee bringen.
»Ich habe manchmal das Gefühl«, beginne ich zaghaft, »… dass wir beide …«
»Rob ist übrigens gar nicht so schlecht, wie du denkst«, unterbricht mich Lila unvermittelt. Sie wühlt in ihrer großen, sackartigen Handtasche.
Muss sie wirklich schon wieder von ihm anfangen?
»Guck mal hier«, sagt sie. »Erinnerst du dich noch daran?« Sie fördert ein in Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen zutage, das mir irgendwie bekannt vorkommt. Ach ja! Es ist das Geschenk, das Rob mir am Abend der Filmnacht gegeben hat. Aufgrund der nachfolgenden, schwerwiegenden Ereignisse habe ich es nie aufgemacht, beziehungsweise seine Existenz völlig vergessen.
»Er war sehr betroffen, dass du es nicht einmal ausgepackt hast.«
Innerlich seufze ich. Das kann noch dauern, bis sie Rob von seinem Sockel schmeißt. Sie ist kein bisschen wütend auf ihn.
»Und du musstest ihn trösten, oder?« Das war spitz. Ich wollte das eigentlich gar nicht sagen. Aber verkneifen konnte ich es mir auch nicht. Der Filmnachtabend löst eine ganze Kaskade von schlechten Erinnerungen in mir aus. Plötzlich bin ich wieder unsicher, ob ich mich wirklich mit Lila versöhnen kann.
»Willst du es nicht jetzt wenigstens auspacken?«
Lila starrt das Geschenk so verlangend an, als würde Rob höchstpersönlich darin sitzen. Nicht mal meine kleine Gemeinheit hat sie richtig mitbekommen. Will ich das jetzt auspacken?
»Vielleicht später«, beschließe ich. Ich stopfe das Päckchen in meine Handtasche, damit Lila es nicht mehr sieht und endlich anfängt, mit mir über uns zu reden. Es ist dringend, zumindest in meinen Augen.
Wir löffeln zusammen Eis, als wäre nichts gewesen und alle Probleme werden unter den Teppich gekehrt. Typisch Familie Redlich. Ein bisschen Blitz, ein kleiner Donner und dann ist alles wieder gut. Ich habe einen Kloß im Hals.
»Hör mal, Lila …« Ich setze zum nächsten Versuch an. Zwecklos. Sie lässt mich nicht ausreden.
»Auch wenn Rob mich bestimmt bald wiederhaben will …«, sagt sie und schaut mich treuherzig an. »Ich möchte aber, dass du wieder bei mir einziehst. Es tut mir leid, was geschehen ist, und es soll alles wieder so sein wie früher.«
Ganz Familie Redlich. Sag ich es doch!
Lila macht mich echt sprachlos. Drehen wir die Zeit zurück und fertig?
Klar, ein Teil von mir freut sich, denn die vielen Jahre mit Lila als Freundin und Vertrauter lassen sich nicht einfach so weglöschen. Aber ein anderer Teil in mir schlägt Alarm.
Will Lila mich nur wiederhaben, weil sie sonst niemanden hat – genau wie ich vor ein paar Wochen? Bis ich endlich neue Freunde getroffen habe.
Vicki! Wie sollte ich ihr erklären, dass ich zurück zu Lila gehe? ›Ach übrigens, Lila hat es sich anders überlegt. Ich darf wieder bei ihr einziehen. Goodbye, Vicki! Bis irgendwann dann mal.‹
Sie würde mir auf coole Vicki-Art einen Vogel zeigen und damit hätte sie sogar recht. Mir wird klar, dass ich mein Leben, wie es vor Kurzem war, gar nicht wiederhaben will. Ich habe mich verändert. Und ein paar Lehren gezogen aus dem, was geschehen ist. Zum Beispiel, dass Lila nicht ganz die ehrliche Freundin ist, für die ich sie immer gehalten habe.
Jetzt erst fällt mir auf, dass sie mich nicht einmal gefragt hat, wo ich wohne. Oder wie es mir ergangen ist, nachdem sie mir damals die Koffer vor die Füße gestellt hat.
Ob sie es von Oma weiß? Ihr nächster Satz beantwortet meine
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