Glückskekssommer: Roman (German Edition)
Frage. Sie hat keine Ahnung und anscheinend will sie es auch gar nicht wissen.
»Weißt du schon das Neuste?« Lila kramt ein weiteres Mal in ihrem Handtaschensack. Ich bin gespannt, was sie noch daraus hervorholt. Vielleicht ein ›Ich-liebe-Rob-auch-wenn-er-ein-Blödmann-ist-Poesiealbum‹?
Da habe ich mich getäuscht. Es kommt härter.
»Kennst du die bescheuerte Kuh noch?« Sie hält mir Vickis Buch vor die Nase. Ich halte die Luft an. »Jetzt hat die dicke Ficki doch glatt so einen ekligen Porno-Schinken geschrieben«, wettert Lila. »Was sagst du dazu? Passt, oder?«
Sag ihr sofort, dass Vicki deine Freundin ist. »Na ja!«, druckse ich mutlos herum.
»Und jetzt rate, wer sich den gekauft hat?«
»Wetten, es ist ein Name mit drei Buchstaben«, scherze ich schlapp. Das ganze Treffen entwickelt sich langsam zur Posse größeren Ausmaßes.
»Genau!«, kreischt Lila. »Und er wollte, dass wir alles, was da drin steht, nachmachen. Ich sollte beim Autofahren seinen Penis anfassen und ihm …« Sie bremst sich mitten im Satz und guckt sich erschrocken um. »… und … so… weiter.«
Die drei Damen am Nachbartisch, die uns schon eine ganze Weile auffällig unauffällig beobachten, lassen von ihren Salattellern ab und gucken erwartungsvoll zu uns rüber.
Ich kann nur mit ganz viel Körperbeherrschung verhindern, dass ich vor Lachen meinen Milchkaffee über den Tisch pruste.
»Wollte er dir zum Dank dafür auch eine Himbeere aus der …«, frage ich unter Lachtränen, nachdem ich mühsam heruntergeschluckt habe.
»Hör sofort auf, Rosa!«, schreit Lila. Sie ist knallrot geworden und hält sich entsetzt eine Hand vor den Mund.
»Liest du diesen scheußlichen Mist etwa auch?« Jetzt ist der Moment da. Der Moment, in dem ich Klartext reden sollte.
Ja!!! Und Vicki ist außerdem meine neue beste Freundin, und ich komme nicht zu dir zurück, jedenfalls nicht gleich heute. Daran bist du selbst schuld.
Ich kann nicht. Damit würde ich alle Türen zu Lila zuklappen. Das will ich aber nicht. Was soll ich nur tun?
Hallo? Gibt es hier so etwas einen Mittelweg?
Ich fühle mich hilflos. Sogar ein dämlicher Glückskeksspruch wäre mir lieber als die gähnende Leere in meinem Kopf.
»Ähm … Entschuldigung!« Eine der drei an den Schläfen schon leicht angegrauten Damen tritt an unseren Tisch.
»Ja?«
»Darf ich fragen …« Sie beugt sich verschwörerisch flüsternd zu uns herunter. »Was ist das für ein Buch, das Sie da gerade lesen?«
*
Eine Stunde später sind Lila und ich noch keinen Schritt weiter.
Vom Nachbartisch ertönen unterdrückte Freudenlaute. Oskar bringt den Ladies, nach ›Orgasmus‹ und ›Latin Lover‹, bereits die dritte Runde Cocktails. Dieses Mal ist es ›Sex on the beach‹. Wenn es noch mehr sexy Drinks auf der Karte gibt, liegen die drei bald unter dem Tisch. Die Damen wissen jedenfalls, wie man richtig Party macht. Nachdem Lila ihnen Vickis Buch geschenkt hat, steigt die Stimmung bei ihnen mit jeder Minute kräftig an.
Bei uns sinkt sie rapide. Wir sitzen uns schweigend gegenüber und gucken betreten in unsere Kaffeetassen.
»Bitte, komm wieder«, sagt Lila plötzlich noch einmal. Sie greift nach meiner Hand. »Es wird alles so schön wie früher. Ich lass dich mit in den Mietvertrag eintragen, wenn du willst … als zweite Mieterin. Dann kann uns nichts mehr auseinanderbringen.«
Ein Mietvertrag als Freundschaftspfand. Das ist ja mal was Neues. Denkt Lila wirklich, ich bin so leicht zu kriegen? Andererseits rührt mich ihr Vorschlag. Lila könnte einen Stein zum Leben erwecken mit ihrer Schmeichelei.
Ich sollte ihr Angebot zumindest in Erwägung ziehen, und das aus einem ganz einfachen Grund. In ein paar Monaten wird Vicki verheiratet sein. Sie wird mit ihrem Daniel zusammenleben wollen. Dann bin ich das dritte Rad am Wagen und muss sowieso gehen. Warum also nicht gleich? Lila ist schließlich genauso allein wie ich. Und sie wird es vorerst auch bleiben. Im Gegensatz zu ihr ist mir völlig klar, dass Rob nicht zu ihr zurückkommen wird.
Wir waren doch all die Jahre so happy miteinander.
»Ich überlege es mir«, antworte ich.
Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen die Wüste Gobi in meinem Kopf zu einer blühenden Landschaft wird. Auf jeden Fall werde ich mit Vicki über alles sprechen. Oder besser mit Margret, denn Vicki ist nicht neutral. Sie konnte Lila noch nie leiden.
»Komm, wir trinken einen Sekt auf unsere gemeinsame Wohnung«, schlägt Lila vor.
Sie
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