Glückskind (German Edition)
Topf gibt: Vater, Mutter, Kind. Kann es sein, fragt Hans sich, dass das Glück überall da ist, wo auch das Unglück ist? Hans schüttelt den Kopf. Was sind das nur für komische Gedanken. Felizia wartet immer noch. Hans zieht eine Grimasse. Felizia mag Grimassen, sie lacht. Hans zieht sein Gesicht in die Länge, dann in die Breite. Er bläht die Nüstern und reißt den Mund so weit auf, wie er kann. Er verdreht die Augen, er schielt, er schiebt den Unterkiefer vor. Und Felizia lacht und lacht. Hans hat seinen Rückenschmerz ganz vergessen. Aber jetzt will er sich mit Felizia auf dem Arm erheben, um eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Jäh fährt ihm ein Stich in den Rücken, er verzieht das Gesicht vor Schmerz und stöhnt laut auf. Und Felizia lacht. Hans muss sich wieder hinsetzen, das Kind auf dem Tisch ablegen und sich abstützen, um hochzukommen. Felizia schreit, sie will nicht auf dem Tisch liegen, oder vielleicht will sie, dass Hans weiter Grimassen schneidet. Aber Hans kann jetzt nicht. Mit Mühe gelingt es ihm, eine Bierflasche aus dem Kühlschrank zu nehmen, wobei er in die Knie geht, um sich nicht bücken zu müssen. Das schmerzt in den Gelenken. Als er endlich wieder sitzt und Felizia auf den Schoß nimmt, schläft sie ein. Hans wechselt ihr noch die Windeln, auch das bereitet ihm Schmerzen. Dann legt er sie in sein Bett. Als er allein ist, wird ihm bewusst, dass dieser Hexenschuss ein ernstes Problem ist.
Er sitzt da, schaltet den Fernseher ein, trinkt aus seiner Bierflasche, schaltet den Fernseher wieder aus.
Seine Verzweiflung steigt wie ein Wasserpegel. Hans baut Dämme aus Zuversicht, er will sich dem Gefühl nicht hingeben.
Er sagt: »Es wird schon werden.«
Er sagt: »So ein bisschen Schmerz!«
Er sagt: »Das wäre doch gelacht!«
Er sagt: »Scheiße!«
Der Wasserpegel steigt, Hans weiß, dass er Felizia womöglich gar nicht mehr tragen kann. Und dann? Warum kann es nicht einfach mal klappen, denkt er. Warum muss immer etwas schiefgehen? Hans tut sich jetzt leid. Er weint. Er schaltet den Fernseher wieder ein und wieder aus. Er trinkt noch eine Flasche Bier. Und dann noch eine. Bald ist er beschwipst. Der Schmerz lässt nach. Er steht auf, geht ins Schlafzimmer und legt sich zu Felizia aufs Bett.
Hans träumt nicht. Aber irgendwann hört er ein seltsames Geräusch. Er kann es zunächst nicht einordnen. Ist es eine Maschine? Oder vielleicht ein Vogel, eine Krähe? Schlafend überlegt er, was es wohl sein könnte. Mit einem Mal stellt er fest, dass er das Gefühl hat, ganz allein zu sein. Das kann nicht sein. Da war doch … Er schlägt die Augen auf. Neben ihm liegt Felizia und schreit. Sie hat den Kopf in seine Richtung gedreht und schreit ihn an. Tränen laufen über ihr Gesicht. Ganz verzweifelt sieht sie aus. Wie lange sie wohl gebraucht hat, um ihn zu wecken? Hans hat sofort ein schlechtes Gewissen und setzt sich viel zu schnell auf. Der Schmerz im Rücken sticht genauso stark wie zuvor, vielleicht sogar stärker. Er zuckt zusammen und stöhnt auf. Was soll ich denn jetzt tun, denkt er und fühlt sich sofort wieder überschwemmt von seiner Verzweiflung. Aber er hat keine Wahl, er muss nur in Felizias verzweifeltes Gesicht schauen, um das zu erkennen.
Langsam und vorsichtig nimmt er sie hoch. Sie kann gar nicht aufhören zu schreien. Hans humpelt in die Küche, er will ihr Milch geben, aber Felizia reagiert nicht auf die Flasche. Es wird die Kolik sein. Hans muss sie sich erneut vor den Bauch wickeln und in der Wohnung umherlaufen, bis es ihr besser geht. Er stützt sich überall ab, an Wänden, Schränken, Stühlen. Während Felizia schreit, stöhnt Hans in einem fort. Draußen ist die Sonne untergegangen, es dämmert, bald kommt die Nacht. Lange schreit Felizia, vielleicht hätte sie nicht so lange geschrien, wenn ich kein Bier getrunken hätte und früher von ihrem Schreien aufgewacht wäre, denkt Hans.
Du Idiot, denkt er. Kaum geht irgendetwas schief, sorgst du dafür, dass es gleich noch schiefergeht. Kein Wunder, dass es so weit gekommen ist mit dir, kein Wunder, denkt er und fühlt die Bitterkeit, die sich über die Jahre in seinem Herzen angesammelt hat, beinahe wie einen Geschmack im Mund.
Er hinkt durch die Wohnung, redet beruhigend auf Felizia ein, aber sie schreit weiter. Geschieht dir recht, denkt Hans und meint sich selbst.
Endlich, als es draußen schon dunkel ist, geht es ihr besser. Hans gibt ihr eine Flasche, sie trinkt sie zur Hälfte, dann schläft
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