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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Uhly
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lächelt Doktor Sadeghi seine Patientin an und sagt: »Dann wollen wir einmal sehen, ob auch alles mit dir in Ordnung ist.« Er hört sie mit dem Stethoskop ab, dann betastet er ihren ganzen Körper mit den Händen. Er hebt sie hoch und trägt sie zu einer Art Anrichte, dort steht eine Babywaage, auf die legt er sie. Er nimmt ein Maßband und misst ihre Körpergröße. Er nimmt ein Holzstäbchen, schiebt es ihr in den Mund und leuchtet ihn mit einer Lampe aus. Er zieht ihr die unteren Augenlider herunter, er prüft den Greifreflex ihrer Hände, er schaut sich ihren Anus und ihre Scheide an. Als er fertig ist, legt er sie wieder auf die Pritsche, nickt ihr freundlich zu und wendet sich an Hans. Er sagt: »Sie ist ein perfektes Baby, sehr harmonisch, aber mit viertausendachthundert Gramm zu leicht für ihre sechzig Zentimeter. Füttern Sie sie gut, sie hat nur noch drei Monate Zeit, um ihr Geburtsgewicht zu verdoppeln.« Er lächelt Hans an und sieht dabei traurig aus, und wieder ist Hans verwirrt. Sie sprechen über die Kolik, die häufiges Füttern verhindert. Doktor Sadeghi erklärt ihm, die Mischung von halb verdauter Milch im Magen und unverdauter Milch, die hinzukommt, sei das Problem. »Füttern Sie viel, geben Sie ihr ruhig hundertfünfzig Milliliter. Und dann warten Sie, bis die Windel voll ist.« Impfen will der Doktor noch nicht, »vielleicht in zwei, drei Wochen, wenn sie mehr Gewicht hat. Rufen Sie vorher an, dann machen wir es wieder an einem Samstag.«
    Hans zieht Felizia an. Doktor Sadeghi setzt sich an seinen Schreibtisch und beginnt zu schreiben. Er hört auf zu schreiben und schaut aus dem Fenster. Es regnet immer noch, aber jetzt nieselt es, winzige Spritzer hängen an der Fensterscheibe, versammeln sich hier und da zu größeren Tropfen, die plötzlich ihren Halt verlieren und nach unten abfließen. Hans wickelt sich Felizia um den Bauch, sie hat sich bis zuletzt im Raum umgeschaut. Aber jetzt ist sie müde von der aufregenden Untersuchung. Während sie einschläft, steht Hans da und wartet und beobachtet Doktor Sadeghi, der weiterschreibt und dann fertig ist.
    Hans sagt: »Sind Sie auch Bahai?« Er hat es aus Neugier gefragt, dieser Mensch ist ihm ein Rätsel.
    Doktor Sadeghi schaut ihn überrascht an, dann lächelt er. »Nein.« Er zögert, sein Blick wandert über den Schreibtisch, als läge dort eine Antwort. Er sieht Hans an und sagt: »Ich habe keine Religion.« Er hält inne, als müsse er in sich hineinhorchen. Dann erhebt er sich und überreicht Hans ein gelbes Heft im A5-Format. Darauf steht ›Kinder-Untersuchungsheft‹. Dort, wo der Name des Kindes steht, hat Doktor Sadeghi nur Felizia eingetragen. Keinen Nachnamen, kein Geburtsdatum, keine Adresse. Hans steckt das Heft in seine Manteltasche und lässt sich von Doktor Sadeghi zum Wartezimmer geleiten.
    Dort sitzen Frau Sadeghi, Herr Tarsi und Herr Wenzel und unterhalten sich. An der hinteren Wand hängt ein großes Bild, es sieht aus wie das goldene Steuerrad eines alten Segelschiffs. Jetzt erheben sich alle, Herr Tarsi und Doktor Sadeghi umarmen einander, klopfen sich gegenseitig auf den Rücken und wechseln ein paar Worte auf Persisch.
    Dann stellt ihm seine Frau Herrn Wenzel vor. Sie sagt: »Herr Wenzel betreibt ein Lotto-Toto-Geschäft. Ich habe ihn gefragt, was das für Menschen sind, die zu ihm kommen und ihr Glück versuchen.«
    »Und was hat er gesagt?«, fragt Doktor Sadeghi und lächelt Herrn Wenzel an.
    Frau Sadeghi zuckt mit den Schultern und sagt: »Alle möglichen, hat er gesagt. Nur die Tarsis nicht.«
    Sie lachen. Herr Tarsi verspricht Besserung und fragt scherzhaft, ob er denn auch gewinnen werde, wenn er bei Herrn Wenzel Lotto spiele. Bevor Herr Wenzel antworten kann, sagt Doktor Sadeghi, deshalb heiße es Glücksspiel, weil man auch Pech haben könne. Und wieder lachen alle, aber jetzt wirkt es, als wüssten sie nicht, wie sie sich voneinander trennen sollen. Da sagt Frau Sadeghi: »Wie schön, dass Sie gekommen sind!«, und schaut in die Runde und meint jeden persönlich und gleichzeitig alle zusammen, und Hans fragt sich, wie sie das macht. Sie gehen zum Ausgang. Doktor Sadeghi reicht Hans die Hand, Hans bedankt sich noch einmal und der Doktor sagt: »Also, wir sehen uns dann in zwei bis drei Wochen, einverstanden?«
    Hans ist einverstanden. Jetzt haben sie es vor Zeugen wiederholt, es kann nicht mehr verloren gehen. Dann verabschieden sich alle voneinander.
    Heimfahrt durch den Regen. Hans berichtet kurz von der

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