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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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Sehnsucht in der ersten nicht ersetzen. Sie ist eine flüchtige Ersatzbefriedigung wie eine Zigarette, wie ein Rausch, wie Fernsehen. Bei Facebook, Twitter, Foursquare und Xing sind Sie zwar durchaus noch ein Stück Sie selbst, also grob die Person, die Sie sind. Eben das, was Sie von sich zeigen wollen, das Foto, auf dem Sie attraktiv aussehen, die Angaben über Ihre Person, die Sie auswählen, die Sätze, die Sie schreiben, um damit etwas Bestimmtes zu bewirken. Aber das ist nur ein gradueller Unterschied zu den Avataren in den Online-Rollenspielen wie »World of Warcraft«. Ein Avatar ist ein künstlicher Stellvertreter in der virtuellen Realität, der mit beliebigen Eigenschaften ausgestattet werden kann. Da kann der picklige, schmächtige Junge mit 3,4 Dioptrien ein muskelbepackter Drachentöter sein, und das verhuschte Mädchen eine schlachtenumtoste Jeanne d’Arc. »World of Warcraft« ist das kommerziell wohl erfolgreichste Spiel aller Zeiten und eines der lukrativsten Unterhaltungsmedien überhaupt. Die kalifornische Computerspieleschmiede Blizzard erlöst alleine mit diesem Rollenspiel derzeit 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr von seinen über zwölf Millionen Abonnenten.
    Sie müssen aber nicht unbedingt in der Fantasy-Welt Azeroth als Alchemist mit Ihrer Gilde am Strand der Uralten mit einer Belagerungsmaschine Verteidigungsanlagen durchbrechen und in eine Schatzkammer einbrechen, um ein Zweitleben zu führen. Sie können das auch schon am Samstag zur Sportschauzeit machen. Wenn Fußball meine Leidenschaft wäre, dann könnte ich es nicht ertragen, zu Hause am Fernseher zu sitzen. Ich müsste unbedingt ins Stadion. Denn Fußball im Fernsehen ist Economy Class.
    |65| Und mit mir es ist noch extremer als Sie jetzt gerade denken, denn es würde mir nicht genügen, auf der Tribüne zu sitzen. Fußball im Stadion anschauen ist Business Class. Nein, wenn Fußball meine Leidenschaft wäre, müsste ich unten auf dem Rasen mit dabei sein, in jungen Jahren als Spieler, später als Trainer am Spielfeldrand. Das und nur das wäre First Class. Und wie ich mich kenne, wären meine Ansprüche so, dass ich mit einem Stammplatz in einer Zweitligamannschaft nicht zufrieden wäre, es müssten schon Champions League und Weltmeisterschaft sein. Alles andere empfände ich wie eine Niederlage. Ich ertrage es nicht, ein Leben zweiter oder dritter Klasse zu führen, ein Abklatsch eines tollen Lebens. Das ist meine Tragik, denn Sie können sich vorstellen, dass ich diesem Anspruch leider nur zu selten genüge. Die Ansprüche jedoch zu senken, das kommt nicht infrage! Übrigens habe ich von Fußball keine Ahnung.
    Dekorateure
    … Zuschauer im eigenen Theater der Selbstinszenierung geworden sind.
    Im Wartesaal des Lebens gibt es nach Vertrödeln, Verschieben und Verdaddeln noch eine weitere, ganz abscheuliche Unart, sein Leben zu vergeuden. Zur Unart wird dieses Verhalten deshalb, weil so Mitmenschen benutzt und verbraucht werden. Die Ironie dabei ist, dass auch die Täter selbst benutzt und verbraucht werden können. Wovon ich rede? Von den Menschen, die ihre Familie, ihre Freunde, ihre Fans als Statisten zur Selbstinszenierung benutzen und selbst Zuschauer im eigenen Theater der Selbstinszenierung geworden sind. Dieser Egotrip kommt in den buntesten Verkleidungen daher. Ich kannte beispielsweise eine Frau, die kam mir vor wie aus einem Werbespot – zack, mein erfolgreicher Mann, zack, mein freistehendes Haus, außen 1   000 Quadratmeter, innen Putzfrau, zack, mein Zweitwagen für den Sommer, zack, meine Vorzeigekinder in Markenklamotten, zack, mein Boot, damit sich, zack, der Meeresspiegel vor Sardinien in meiner, zack, Gucci-Sonnenbrille spiegeln kann.
    |66| Auf den ersten Blick hätten Sie vielleicht gedacht, holla, die Frau ist doch auf einem guten Weg, die hat’s zu etwas gebracht. Ihr selbstsicheres Auftreten täuscht aber über die Winzigkeit ihres Selbstwertgefühls hinweg. Zunächst sehen Sie noch nicht, dass der schöne Teint nicht Gesundheit, sondern Selbstbräunungscreme signalisiert. Sie bemerken noch nicht, dass ihre Gedanken den Tiefgang eines Wasserflohs haben. Aber irgendwann erkennen Sie plötzlich, dass die Kinder und der Ehemann nur Marionetten für die Puppenkiste dieser Frau sind, Teil einer Inszenierung von Glück. Und plötzlich klappert die ganze glamouröse Fassade wie Leichtmetall.
    Die Opfer dieses Schauspiels sind die Statisten. Denn die Kinder und der Ehemann und die Freunde bemerken nicht, dass sie

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