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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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die absolute Elite der Kreditkarten, man bekommt sie nur auf Einladung oder Empfehlung und muss exorbitante finanzielle Voraussetzungen erfüllen. Umso weniger war mir klar, warum der Wert und Status meiner Kreditkarten mit der Höhe der Schulden korrelierten. Aber egal, für mich war das – nach dem Abbau meiner Schulden – die ultimative Spaßhabekarte, denn der Concierge-Service, der mit ihr verbunden ist, ist grandios: Ich rief einfach bei Amex an und sagte der freundlichen Dame, ich hätte gerne die geilste Woche meines Lebens in New York. Solche Sachen mache ich. Leider viel zu selten. Ein Eis hat man sich immer verdient.
    Ich weiß ja, dass das falsch verstanden wird. Die Menschen werden das immer falsch verstehen. Sie vielleicht nicht, denn sonst hätten Sie das Buch vielleicht schon längst weggeworfen und würden das hier gar nicht mehr lesen.
    |71| Die Leute sagen immer, der Scherer, der kann das ja, der hat gut reden, der hat Geld! Blablabla! Das macht mich wütend! Es ist nicht der Fall, dass ich das mache, weil ich Geld habe. Das ist schlicht falsch. Richtig ist es umgekehrt: Ich habe das Geld, um so etwas zu machen!
    Die wahre Scherer-Story geht so: Meine Eltern waren Flüchtlinge und als ich ins Teenie-Alter gekommen bin, ist meine Schwester nach einem langen Leidensweg verstorben. Da sich meine Eltern jahrelang um sie kümmerten, war ich praktisch ab dem 12. Lebensjahr auf mich allein gestellt. Mit 14 bin ich dann ausgezogen und war recht orientierungslos. Damals habe ich nicht einmal einen ordentlichen Schulabschluss geschafft. Ich war auf dem Gymnasium mit einem IQ von 137 und habe so lange rebelliert, bis ich rausgeflogen bin. In der Realschule war meine Motivation so groß, dass ich gleich durchgefallen bin. Den Schulabschluss habe ich mit einem Schnitt von 4,8 herausgewürgt. Das sind die Umstände! Meinen Abschluss und das Studium habe ich später auf tausend Umwegen bis zu akademischen Graden nachgeholt.
    Im Gemüseladen meines Vaters habe ich den Müll weggefahren und Tomaten gewogen. Mein erster Job außerhalb des Ladens war mit 14 in der Disco, im Lindenkeller in Freising, bis 22:00 Uhr Gläser einsammeln. Als Gläserwäscher war ich noch zu wenig qualifiziert. Von meinen Eltern habe ich kein Vermögen geerbt, sondern Schulden und ein defizitäres Unternehmen. Nicht ein paar hunderttausend Euro Schulden, ein paar Millionen Schulden!
    Wenn ich höre: Ach, Herr Scherer, Sie können das doch nicht so sagen, ist nicht jeder von uns auch von den Umständen abhängig? Dann treibt mich das bis zur Weißglut. Waren es also die Umstände, die mir mein Leben so gestaltet haben, wie es heute ist?
    Nein, es sind nicht die Umstände. Es sind bei niemandem die Umstände, die einen dazu nötigen, sein Erstleben auszukosten. Wir haben uns so sehr an unsere eigenen Geschichten gewöhnt, dass wir sie am Ende selbst glauben. Es sind nie die Umstände. Warum kommen die einen pünktlich an und die anderen nicht? In einem Hotel beobachtete ich eine Szene, in der sich der Zuspätkommende mit den Worten »Ich hatte einen Stau« entschuldigte, worauf der Wartende antwortete: »Ich auch.«
    Es ist immer ein Trotzdem, das die Menschen weitergebracht hat.
    |72| Die, die pünktlich ankommen, haben einfach alles getan, um es zu tun, und dafür gesorgt, dass die Uhr stimmt, dass sie das Haus rechtzeitig verlassen, haben einen Stau und sonstige Unwägbarkeiten einkalkuliert. Wenn man pünktlich ist, dann sagen die Leute: Ich war pünktlich. Sie sagen dann nicht, meine Armbanduhr hat funktioniert, das Auto ist angesprungen, viele Autofahrer sind zu Hause geblieben, damit ich in keinen Stau komme. Diejenigen, die in der Welt vorankommen, gehen hin und suchen sich die Umstände, die sie brauchen. Und wenn sie sie nicht finden, dann machen sie sie sich selbst. Das ist im Großen wie im Kleinen so: Es hat trotzdem funktioniert. Es ist immer ein Trotzdem, das die Menschen weitergebracht hat.
    First Class
    Also, jetzt verrate ich Ihnen, wie ich es in die First Class geschafft habe, zum Preis der Economy: mit Meilen. Wenn das Leben keine Generalprobe ist, und ich es mir in den Kopf gesetzt habe, First Class zu fliegen, einfach, weil sie da ist, dann ergibt es keinen Sinn, abzuwarten und Tee zu trinken, dann ergibt es keinen Sinn, eines Tages 10   000 Euro übrig zu haben und für einen Flug durch den Schornstein zu jagen. Es muss noch einen anderen Weg geben, ich muss ihn nur entdecken. Das Trotzdem treibt mich an. Es muss

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