Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
Ansprüche so hoch sind. Ich glaube eher, dass die meisten ihre Ansprüche angesichts der Schwierigkeiten, die sich ihnen entgegenstellen, so stark gesenkt haben, dass sie sich dreinfügen und eben Banker, Jurist oder Alleinerziehende werden, eine Mischung aus mittelmäßigen Ambitionen, Weg des geringsten Widerstands und schierer Hilflosigkeit.
Und ich glaube, sie haben es noch nicht einmal versucht! Mag ja sein, dass es nicht geklappt hätte, aber ein Versuch! Versuchen muss man es, mehr als ein Mal. Das Unmögliche ist das, was man nie versucht hat. Doch wir haben gelernt, Kompromisse zu machen, das ist unser Versteck. Und wenn Sie sagen, Sie haben es für Ihre Verhältnisse doch schon ganz passabel weit geschafft, wenn Sie realistisch bleiben, dann ist das immer noch eine Ausrede, nur auf hohem Niveau. Das Unrealistische zu versuchen, damit dürfen Sie nie aufhören.
In einer Bar ist es leichter, die seltene, perfekte 10-Punkte-Traumfrau anzusprechen, als eine der vielen 6-Punkte-Frauen, um die die meisten Männer herumscharwenzeln, weil sie sich mehr nicht zutrauen.
Es ist nämlich oft leichter, das Unrealistische zu erreichen, als das Realistische. 99 Prozent der Menschen auf dieser Welt glauben nicht daran, dass sie in der Lage sind, etwas Großes zu vollbringen, und streben nur nach dem Mittelmaß. Folglich ist gerade bei den realistischen Zielen der Wettbewerb am schärfsten. Deshalb ist es paradoxerweise besonders zeit- und energieaufwändig, solche vermeintlich einfachen oder normalen Ziele zu erreichen. Es ist beispielsweise heute oft leichter, eine Finanzierung für fünf Millionen aufzubringen, als eine Finanzierung für eine halbe Million. In einer Bar ist es leichter, die seltene, perfekte 10-Punkte-Traumfrau anzusprechen, als eine der vielen 6-Punkte-Frauen, um die die meisten Männer herumscharwenzeln, weil sie sich mehr nicht zutrauen. Das gleiche gilt auch für den Rest der Welt, Ihre beruflichen Ambitionen zum Beispiel. Sie dürfen nicht den Fehler |61| machen, die Konkurrenz zu über- und sich selbst zu unterschätzen. Es sind die gewöhnlichen Menschen, die außergewöhnliche Dinge machen – und damit vielleicht sogar außergewöhnlich werden.
Ich behaupte nicht, dass es einfach ist. Im Gegenteil. Ich halte trotzdem das Senken der Ansprüche angesichts des Widerstands des Lebens für einen Betrug. Einen der schlimmsten überhaupt. Einen Selbstbetrug aus niederen Beweggründen, ein Kapitalverbrechen am eigenen Leben. Denn wer seine Ansprüche aufgibt, der schränkt sein Sichtfeld ein, der senkt aus freien Stücken seinen Blick und sieht den Horizont der Chancen nicht mehr, sondern nur noch den Acker der Realitäten vor seinen Füßen, den er umzupflügen hat.
Mit dem Blickfeld schränkt er auch seinen Aktionsradius ein, er wird vieles in seinem Leben nicht mehr tun, was er sonst vielleicht getan hätte, hat es in dem Moment aus seinem Leben ausgeschlossen, als er den Kopf dieses kleine weitere Stückchen gesenkt hat. Ja, so ist das. Und ganz besonders schlimm ist es, weil die Areale des Lebens, die dadurch ausgeschlossen werden, unwiederbringlich verloren sind. Vom Werden zum Nichts verwandelt. Denn jeder Tag, den Sie nicht auf das Ziel zulaufen, ist vorbei und verloren, er kommt nie wieder. Während wir das Ziel aus den Augen verlieren, bummeln und trödeln wir durch die Gegend, sind ständig beschäftigt, aber schaffen nichts. Wir tun so, als ob wir noch ganz viel Zeit hätten. Aber das Leben ist endlich!
Ich muss Sie an dieser Stelle mit Ihrem Tod konfrontieren, so leid es mir tut.
Das ist jetzt für viele eine grausame Nachricht: Das Leben ist endlich. Ich muss Sie an dieser Stelle mit Ihrem Tod konfrontieren, so leid es mir tut. In der wunderbaren Experimentierküche des Lebens ist unser Aufenthalt von begrenzter Dauer. Und anstatt die Zeit zu nutzen und ernsthaft zu experimentieren, spielen die meisten von uns nur so rum. Als ob die Zeit, die wir dort verbringen dürfen, aus dem Füllhorn der Amaltheia käme, das nie versiegt. Aber die Zeit ist knapp bemessen, und sie hört auf. Sie sterben! So viel ist sicher. Die Reise des Lebens schließt den Tod mit ein. Die Menschen sind sich dessen nicht bewusst.
Manche leben ihr Leben als hätten sie ein zweites Leben in Reserve.
Manche leben ihr Leben als hätten sie ein zweites |62| Leben in Reserve. Sie verbannen den Tod aus ihrem Leben und tun so, als wäre es nicht schlimm, wenn sie einen weiteren Tag im Wartesaal vertrödelt
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