Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
Staffage eines starken Egos mit geringem Selbstwert sind, und verstehen nicht, worunter sie eigentlich leiden und warum der Friede, die Freude und der Eierkuchen so schal schmecken.
Dann gehen diese Freunde zusammen ins In-Lokal, in den Schickimickitreff, der nur toll ist, weil man selbst drin ist. Es gibt keine besseren Speisen und Getränke als nebenan, die Einrichtung ist nicht einmal besonders gediegen, die Atmosphäre stammt aus den gleichen Konserven wie überall, alles ist steif und schick und teuer, es ist in Wahrheit, ganz entgegen den Beteuerungen der Gäste, kein toller Abend. Alle sind nur dort gewesen, um erzählen zu können, dass sie dort gewesen sind. Und die Kasse klingelt. Denn nichts ist einfacher, als Schickimicki-Publikum auszunehmen, wenn man es schafft, Illusionen zu stärken und auf den Preis aufzuschlagen.
Wenn die eine von diesen Freunden dann alleine unterwegs zum Einkaufen ist, geht sie in die Würstchenbude neben dem Einkaufszentrum und genießt eine wunderbare Currywurst mit Pommes und Ketchup auf speckigen Plastiktischen, freut sich darüber wie ein kleines Kind und schmeckt endlich mal wieder ihr Lieblingsessen. Nur erzählt sie niemandem im Freundeskreis von ihrer Leidenschaft! Das wäre nicht schick. Das wäre ein Stilbruch in der Deko des Lebens.
Die meisten von ihnen sind Statisten im eigenen Leben, weil sie die Regie abgegeben haben.
All diesen Ansprüchesenkern, den Vertrödlern, Verschiebern, Verdaddlern und Verleugnern im Wartesaal des Lebens ist gemein, dass ihr Selbstwertgefühl kleiner und kleiner wird, sie reduzieren |67| sich zur Marionette der Erwartungshaltung der Menschheit. Sie leben immer weniger von innen nach außen, sondern lassen sich bestimmen von der Welt um sie herum, von den Widerständen, den Ablenkungen, den Ersatzbefriedigungen und der Angst, was andere von ihnen denken könnten. Die meisten von ihnen sind Statisten im eigenen Leben, weil sie die Regie an das Umfeld und deren Erwartungen oder jemand anders abgegeben haben. Und dann gehen wir ins Kino und schauen uns das wahre Leben an, die Helden, die es schaffen, die stark sind und das Wunderbare machen.
So gehen wir auch ins Kino rein, durch die hell erleuchtete, glamouröse Eingangshalle, die breite Treppe hinauf – durch den glanzlosen, schmalen, dunklen Hinterausgang gelangen wir hinterher dann wieder hinaus auf die Straße, hinaus zu unserer Nebenrolle in unserem Leben. Gehen Sie ruhig ins Kino und träumen Sie! Träumen Sie Ihr Leben. Aber leben Sie dann auch Ihren Traum!
Besser ist es, regelmäßig an den eigenen Ansprüchen zu scheitern.
Nein, das Senken der Ansprüche ist nicht der richtige Weg. Er führt in die Fremdbestimmung, wir werden zu Zaungästen unseres Lebens. Nein, wenn es schwer wird im Leben, dürfen wir unsere Ansprüche nicht senken. Besser ist es, regelmäßig an den eigenen Ansprüchen zu scheitern. So mache ich es. Ich scheitere oft.
Umständehalber
Ich weiß, viele glauben, der Scherer ist verrückt. Das stimmt ja auch, aber aus der Perspektive des Verrückten sind interessanterweise ganz viele andere Menschen verrückt. Ein Zweit- oder Drittleben zu führen, ist aus meiner Sicht verrückt. All die Fernseher, Popstars, Statussymbole und In-Lokale sind vermutlich eine Versuchung Gottes, um uns |68| zu beweisen, dass wir unser Leben verschwenden. Ich frage mich, warum wir Menschen so leben. Angst ist der Grund, glaube ich. Die Angst lähmt uns und friert das First Life ein. Zu viele Menschen scheinen vor dem Leben mehr Angst zu haben als vor dem Tod.
Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.
Angst? Wovor bloß? Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Vielleicht ist uns ja ein gewisses Quantum Angst angeboren, und wenn wir keine Angst mehr vor Gewittern, Höhlenbären und kriegerischen Nachbarsippen haben müssen, dann entwickeln wir moderne Ängste. Zum Beispiel die absurde Existenzangst angesichts der Tatsache, dass in unserer Gesellschaft niemand verhungert, jeder Geld und ein Dach über den Kopf bekommt, auch wenn er sich nicht mehr selbst darum kümmern will oder kann. Angst vor Armut ergibt in Westeuropa nur noch bedingt Sinn. Oder die Angst, in Misskredit zu fallen, der Gruppenzwang, der Druck, es so zu machen, wie »man« es eben so macht. Und das in einem Umfeld, in dem Individualismus groß geschrieben wird und die Menschen bejubelt werden, die am meisten aus der Rolle fallen, sich zum Beispiel auf der Bühne in den Schritt fassen, während sie sich Rinderblut
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