Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
ein unangenehmes Ziehen in der Selbstwertgefühlgegend, kurz unterhalb der Schmerzgrenze. Dem geben sich die meisten nicht lange hin. Um dieses Unwohlsein nicht länger ertragen zu müssen, das sich durch Ablenkungstaktiken |58| und Berieselungsmethoden nur kurzfristig betäuben und verscheuchen lässt, greifen die Menschen im Allgemeinen zu einer simplen Methode: Sie senken ihre Ansprüche. Genau! Das kostet doch unmäßig viel Geld! Dafür kann ich mir ein Auto kaufen! Das steht doch in keinem Verhältnis zur Leistung! Die Leute kommen doch auch nur in New York an, wie wir auch! So ein Flugzeug ist letztlich doch auch nur ein Transportmittel, um von A nach B zu kommen! Die brauchen das wahrscheinlich für ihr Ego! Reines Statussymbol! Das habe ich nicht nötig …
Ich denke da anders. Ich denke: Das kann doch nicht sein, dass ich Economy fliege, wenn es eine First Class gibt! Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin: Ich möchte auch in der First Class sitzen. Ich schätze, es genügt meinen Ansprüchen nicht, in der dritten Liga zu spielen und von der Champions League ausgeschlossen zu sein, diese Regel akzeptiere ich nicht, das spüre ich genau. Woran liegt es, dass ich nicht First Class fliege? Na ja, ich will definitiv nicht gute 10 000 Euro ausgeben, ich bin schließlich auch Kaufmann, und das ist einfach zu teuer. Aber das ist nur eine Bedingung, kein hinreichender Grund. Woran also liegt es?
Alles, was ich bis zu diesem Zeitpunkt gemacht hatte, erzielte
in puncto
Transatlantikflug das Ergebnis: Economy. Das schien nicht die richtige Strategie gewesen zu sein. Die richtige Frage lautete: Was muss ich stattdessen tun, um in der First Class zu fliegen?
Den ganzen Rückflug hatte ich Zeit zum Nachdenken. Seitdem fliege ich immer First Class. Und ich zahle dafür immer nur Economy.
Das Leben im Wartesaal
Das ist das Grundmuster. Die meisten Menschen sind bereit, ihre Ansprüche zu senken, wenn sie damit vor Wände laufen. Und weil das oft passiert, bis wir erwachsen sind, sind die Ansprüche meistens sehr, sehr niedrig, gemessen an den Möglichkeiten.
Der Junge wollte noch zum Mars fliegen, bereits der Jugendliche bereitet sich innerlich auf die Banklehre vor.
Der Junge wollte noch zum Mars fliegen, bereits der Jugendliche bereitet sich innerlich auf die Banklehre vor. Das Mädchen wollte |59| Wimbledon gewinnen wie Steffi Graf, bereits die junge Frau hat mit Sport wenig am Hut und büffelt Jura an der Feld-Wald-und-Wiesen-Uni. Das andere Mädchen wollte einmal in einem Schloss leben und einen reichen Prinzen heiraten, die erwachsene Frau schlägt sich allein oder als alleinerziehende Mutter durchs Leben. Und wenn Sie sie darauf ansprechen, wie sie nun Astronaut, Tennisprofi und Prinzessin werden wollen, ernten Sie nur ein Stirnrunzeln. War da noch was? Warum fragen Sie das jetzt? Was hat das mit mir zu tun? Es ist erschreckend, wie groß unsere Potenziale sind und wie wenig davon wir leben.
Beileibe habe ich nichts gegen Banker, Studierende, Juristen oder alleinerziehende Mütter, bitte legen Sie mir das nicht falsch aus. Wenn sich ein Mensch leidenschaftlich gerne wünscht, Banker zu werden, die Hand am Puls der Geldströme dieser Welt zu haben, den frei fließenden Milliarden nahe zu sein, Menschen zu helfen, ihr Vermögen zu mehren und zu schützen, jungen Unternehmern zu helfen, auf die Füße zu kommen, Familien das eigene Dach über den Köpfen zu ermöglichen, die Wirtschaft am Kreiseln zu halten – ja, dann sage ich: Vorwärts! Werde Banker!
Wenn eine die Heldin des Gerichtssaals werden will, unschuldige Menschen aus der Zwickmühle hauen, solide Unternehmen vor perfidem Betrug schützen, gerissene Verbrecher überführen und hinter Gitter bringen, Millionenbetrügern den weißen Kragen wegreißen, das Recht und den Souverän und die Ehre verteidigen, für weise Gerechtigkeit und damit für die Stabilität des Gemeinwesens sorgen will, dann sage ich: Mach’s! Werde Anwalt oder Richter!
Und wenn eine Frau sagt, ich schaff’s allein, und nur, wenn ich es selbst mache, kann ich dafür sorgen, dass meine Kinder eine offene Zukunft haben, lernen, sich entwickeln und Gutes in der Welt tun, dann sage ich: Das ist dein Weg, gehe ihn zu Ende, erziehe deine Kinder allein! Allen und gerade alleinerziehenden Müttern gehört mein voller Respekt.
|60| Nur leider: Wenn ich mich so umschaue, habe ich höchst selten das Gefühl, dass die Banker, Anwälte und Alleinerziehenden das tun, was sie tun, weil ihre
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