Glücksklee
auszusuchen. Sie hatten versucht, Ruth anzurufen, um ihr Bescheid zu geben, konnten sie aber nicht erreichen. Seit sie sich mit ihr im Café getroffen hatten, hatten sie beide nichts mehr von ihr gehört oder gesehen.
«Was ist denn mit den beiden?», hatte Nina am Samstag gefragt, nachdem Ruth und Charlie das Café verlassen hatten. Es war nicht zu übersehen, dass sie eine gemeinsame Geschichte hatten, aber Nina hatte Ruth damals nicht gut genug gekannt, um zu wissen, mit wem sie befreundet war.
Trish war ganz gelassen geblieben. «Ich nehme an, dass sie sich einfach erzählen, was inzwischen passiert ist. In letzter Zeit ist es ja unmöglich, mit Ruth zu reden, ohne dass man angegafft wird – vermutlich wollte er einfach in Ruhe mit ihr sprechen und hat sie deswegen mit nach draußen genommen. Hast du nicht gesehen, wie die Leute sie alle angestarrt haben, als wir zusammen Kaffee getrunken haben?»
Nein, Nina hatte tatsächlich nichts bemerkt, aber sie hatte auch neben der Schauspielerin gesessen und daher nicht in die gleiche Richtung geschaut wie Trish. Sie hatte zwar keine Ahnung, worüber Ruth und Charlie geredet hatten, nahm jedoch an, dass es kein sehr angenehmes Gespräch gewesen war, denn Ruth war nicht an ihren Tisch zurückgekehrt.
«Die beiden waren mal verlobt, weißt du», erklärte Trish.
«Wirklich?»
«Ja, mehr oder weniger. Ich hab gehört, dass er ihr einen Antrag gemacht hat, aber … Ach, an die Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es war ungefähr zu der Zeit, als Ruth in
The Local
richtig groß rauskam. Als sie dann nach Hollywood gegangen ist, haben sie sich getrennt.»
«Ach so. Das muss hart gewesen sein.» Nina fragte sich, ob Ruth auch deshalb so lange nicht nach Hause gekommen war. Liebeskummer? «Warum ist er denn nicht mitgegangen?»
«Charlie Mellon in Hollywood? Dass ich nicht lache! Der hält es ja nicht mal in Dublin aus.»
«Verstehe.» Das klang, als hätte Ruth sich entscheiden müssen: eine glänzende Filmkarriere oder ein Hausfrauenleben in Lakeview. Nach dem Wenigen, was Nina von ihrer neuen Freundin wusste, nahm sie an, dass ihr diese Entscheidung nicht schwergefallen war. Trotzdem fragte sie sich, ob Ruth ihren Entschluss im Stillen manchmal bedauerte. Jedenfalls wollte die Schauspielerin dieser Tage offenbar für sich bleiben, und so waren Nina und Trish heute Morgen allein.
Im Bibliotheksgebäude begleitete die freundliche Bibliothekarin, die alle nur Martha nannten, die beiden Freundinnen in ein Hinterzimmer. «Ich weiß nicht, ob es hier viel gibt, was dir weiterhelfen könnte, Trish», sagte Martha bedauernd. «Aber wenn ich irgendwas für dich tun kann, sprich mich bitte an. Ich finde, dein Buch ist eine großartige Idee, und es ist Zeit, dass mal jemand anders als Madame Seymour unser Lakeview bekannt macht.» Sie rümpfte die Nase, und ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, welche Meinung sie von der prominenten Tochter der Stadt hatte. Wahrscheinlich war es ein glücklicher Zufall, überlegte Nina, dass Ruth sie heute nicht hierher begleitet hatte!
Als Martha fort war, ließ Trish ihre große Ledertasche fallen und fing an, die Regale zu durchstöbern. «Was meinst du, wonach wir suchen sollten?», fragte sie.
Nina verzog das Gesicht. «Ich hatte gehofft, du wüsstest das – schließlich ist es dein Projekt.»
«Ja, ja, aber um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung.»
Nina schnappte sich einen Band mit Zeitungsausschnitten. «Das ist ja spannend. Ich hätte nicht gedacht, dass die Geschichte Lakeviews so bedeutend ist, dass sie einen ganzen Raum füllt.»
Trish lächelte. «Na hör mal. Lakeview hat eine glanzvolle Geschichte, reich und bunt und …» Sie verstummte.
«Genau.» Nina lachte. «Du weißt genauso wenig über die Geschichte dieser Stadt wie ich.»
«Aber bald werde ich mehr wissen», sagte Trish herablassend, und Nina hob eine Augenbraue. «Sobald ich mein Buch fertig habe», fügte Trish kichernd hinzu. «Doch jetzt mal im Ernst, ich suche nach Geschichten, die spannend sind, vielleicht sogar ein bisschen skurril. Etwas, worüber die Leser staunen.»
Typisch, dachte Nina lächelnd. Sie hätte sich ja denken können, dass Trishs Anweisungen unbrauchbar sein würden. Begriffe wie «spannend» und «skurril» fielen einem nicht gerade als Erstes ein, wenn man über diese Stadt nachdachte.
Ein paar Stunden später stand Nina auf, um sich zu strecken. Sie fühlte sich staubig, ein wenig wie dieser Raum. Und sie
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