Glücksregeln für den Alltag
Menschen in unserer vom Konsum geprägten Gesellschaft nahm ich mir nur selten die Zeit, meine Annahmen und Meinungen über den Zusammenhang von Geld und Glück zu hinterfragen. Es bedurfte keiner Tiefenanalyse, um die Richtigkeit seiner Ansichten zu erkennen. Mühelos fielen mir Beispiele ein, die belegten, dass das ständige Streben nach Reichtum das Leben immer komplizierter machte. Ich konnte bei meinen wohlhabenderen Freunden sehen, dass bei zunehmendem Reichtum auch die Komplexität ihres Lebens exponentiell zunahm.
Ich musste an ein bestimmtes Paar denken. Beide waren Freiberufler und verdienten sehr gut; und sie waren in Hochstimmung, als sie schließlich so viel hatten, dass sie sich ihr Traumferienhaus am Strand leisten konnten. Mit großer Vorfreude stellten sie sich vor, wie sie auf ihrer Terrasse sitzen, Piña Coladas schlürfen und dem Sonnenuntergang über dem Ozean zusehen würden. Ihre Begeisterung kühlte jedoch etwas ab, als sie entdeckten, dass nun längere Verhandlungen, endloser Papierkram und langwierige Kreditberatungen folgten. Als das endlich beendet war, stand eine umfassende Renovierung an, der die unvermeidlichen Streitigkeiten mit dem Bauunternehmer wegen der aus dem Ruder laufenden Kosten und der Verzögerung beim Umbau folgten. Dann ging es ans Einrichten des Hauses; auch das wurde weit kostspieliger, als sie sich vorgestellt hatten. Mittlerweile war ihr Enthusiasmus merklich abgekühlt. Er wurde jedoch für eine kurze Zeit wieder neu entfacht, als sie ihr Ferienhaus endlich an ein paar Wochenenden genießen konnten; aber nach den ersten schweren Regenfällen entdeckten sie einen großen Riss im Fundament, der gravierende Wasserschäden verursachte.
Ich hatte meine Freunde kurz zuvor getroffen und sie gefragt, ob ihnen ihr Haus gefiele. „Na ja, es ist ein wunderschönes Haus, und wir fühlen uns dort wirklich sehr wohl, wenn wir es schaffen hinzufahren. Leider nicht so oft, wie wir gehofft hatten. Und außerdem gehen die Kreditzahlungen, die Kosten für die Instandhaltung und für Strom, Gas und Wasser so sehr an unsere Finanzen, dass wir jetzt mehr arbeiten müssen, um das alles zu bezahlen.“
Dann war die Unterbrechung zu Ende und der Dalai Lama griff seinen Gedankengang wieder auf: „Letzten Endes geht es auch den Menschen, die dem Geld nur um des Geldes willen nachjagen, tief in ihrem Inneren darum, glücklicher zu werden. Ihre letztliche Motivation ist, mehr Glück zu bekommen. Wenn das so ist, dann ist es selbstzerstörerisch, zum Sklaven des Geldes und der Gier zu werden; man vereitelt dann genau das Ziel, das man eigentlich anstrebt. Statt mehr Glück zu bringen, bringt es Elend - die Qual, nie ans Ende seiner Wünsche zu kommen. Im Unterschied dazu wird ein Mensch, der den Zweck des Geldes nie aus den Augen verliert und ein gesundes Verhältnis zum Geld hat, auch dann, wenn er weniger Geld besitzt, eine entspanntere Haltung gegenüber Geld und Reichtum einnehmen. Er mag, was den tatsächlichen materiellen Reichtum angeht, ärmer sein, aber in Wirklichkeit ist er reicher, da er fähig ist, den wahren Wert von Geld und Reichtum zu erkennen, und frei ist von unrealistischen Erwartungen an den Reichtum.“
Ich dachte an den verschwenderischen Lebensstil, die Luxuswagen und Ferienresidenzen einiger meiner Bekannten und verglich dies unwillkürlich mit dem einfachen Leben, das die Menschen hier in Dharamsala führten, insbesondere die buddhistischen Mönche und Nonnen. Und ich fragte ihn: „Sie haben in der Vergangenheit von der buddhistischen Auffassung vom ,richtigen Lebensunterhalt’ gesprochen, und ich hätte gerne, dass Sie später noch ein wenig mehr dazu sagen. Aber jetzt möchte ich gerne wissen, ob es eine bestimmte buddhistische Einstellung gegenüber dem Geld gibt?“
„Die buddhistische Auffassung vom richtigen Lebensunterhalt urteilt nicht moralisch über einen bestimmten Lebensstil oder über die Menge des Geldes, die jemand verdient. Natürlich gelten für jemanden, der als Mönch oder Nonne lebt, bestimmte Beschränkungen, die mit den Mönchsgelübden Zusammenhängen; sie verbieten den Betreffenden, ein Leben in Komfort und Luxus zu führen. Beispielsweise darf ein Mönch nur noch ein zweites Gewand besitzen. Es gibt also solche Einschränkungen, aber wenn ein Mensch, der nicht als Mönch lebt und daher keinen Beschränkungen durch mönchische Regeln unterliegt, sehr viel Glück in Gelddingen gehabt hat und nun großen materiellen Reichtum besitzt, dann
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