Glücksregeln für den Alltag
zum Selbstzweck wird. Dann verlieren wir den eigentlichen Zweck des Geldverdienens aus den Augen. Der besteht nämlich darin, sich mit den notwenigen Mitteln zu versehen, um etwas zu erreichen. Geld an sich ist nur ein Stück Papier. Erst der Wert, den wir ihm gesellschaftlich zuschreiben, macht es zu etwas Wertvollem. Das Papier selbst ist nur sehr wenig wert. Sein wahrer Wert liegt in dem Preis, der Zahl, die auf dem Papier steht. Das mag albern klingen, aber ich glaube, es ist wichtig, sich zuweilen an diese einfache Tatsache zu erinnern.
Wenn wir dem Geld um des Geldes willen nachjagen, besteht das Problem darin, dass es uns zu Opfern einer unersättlichen Gier macht. Wir haben nie genug. Wir werden zu Sklaven des Geldes. Ich habe einige Freunde, die hierhin und dorthin rennen und im Streben nach immer mehr Geld durch die ganze Welt reisen; manchmal necke ich sie damit, nenne sie Sklaven des Geldes. Aber sie halten niemals inne, um darüber nachzudenken, warum sie das tun - sie tun es höchstens, um herauszufinden, wie sie noch mehr Geld verdienen könnten. Wenn ihr Streben ihnen zum Glück verhelfen und ihnen die Erfüllung geben würde, die sie im Leben suchen, dann wäre es wohl irgendwie gerechtfertigt. Doch das ist nicht der Fall. Denn sie geben sich ja niemals mit irgendetwas zufrieden. Außer wenn Sie einer der reichsten Menschen der Welt würden, was äußerst unwahrscheinlich ist, wird es immer jemanden geben, der mehr Geld hat als Sie. Und wenn Sie etwas bekommen, wollen Sie immer noch mehr: Wenn Sie eine Million verdienen, wollen Sie zehn Millionen, und wenn Sie zehn haben, wollen Sie hundert Millionen. Sofern wir nicht lernen zu sagen ,das genügt mir jetzt’, können wir niemals wahrhaft zufrieden sein. Es ist wie ein Spiel, bei dem die Zielpfosten ständig verschoben werden, so dass Sie niemals die Chance haben zu treffen.“
„Das mag wahr sein“, sagte ich. „Aber manche Menschen jagen dem Geld nicht um des Geldes willen nach und auch nicht wegen der Dinge, die man damit kaufen kann, sondern wegen der Macht, die es ihnen verleiht. Ihre Motivation ist Macht.“
Der Dalai Lama schüttelte den Kopf. „Ich glaube, dass wirkliche Macht aus der Achtung entsteht, die andere einem entgegenbringen. Wirkliche Macht hat mit der Fähigkeit zu tun, die Herzen und Gemüter von anderen zu beeinflussen. Mahatma Gandhi beispielsweise hatte wahre Macht und sie stützte sich nicht auf Geld. Macht, die auf Reichtum basiert, ist künstlich; sie besteht nur äußerlich und hält nicht an. Man respektiert dann Ihr Geld, nicht Sie; verlieren Sie Ihr Geld, so verschwinden auch Macht und Respekt. Das ist wie die Macht von jemandem, der ein Gewehr in den Händen hält - sobald er es weglegt, bringt man ihm weder Respekt entgegen noch besitzt er Macht.“
Doch ich trieb meine Argumentation noch ein wenig weiter: „Vermutlich wollen die Menschen auch deshalb immer mehr Geld verdienen, weil sie der unterschwelligen Überzeugung sind, dass sie, je reicher sie sind, desto mehr Freiheit haben werden. Sie haben dann die Freiheit zu reisen, wohin sie wollen, sie haben die Freiheit zu tun, was sie wollen; sie meinen: ,Wenn ich einmal Milliardär bin, werde ich vollkommene Freiheit haben. Dann kann ich da hingehen, wohin ich will, und tun, was ich will.’“
„Freiheit ist ein weites Thema“, erinnerte er mich, „und wir sprechen hier über einen begrenzten Zusammenhang. Und auch in diesem Kontext liegt ein gewisses Maß an Freiheit. Zum Beispiel die Freiheit von der belastenden Sorge um Finanzen. Die Freiheit, sich um Essen, Kleider und ein Dach über dem Kopf keine Gedanken machen zu müssen. In diesem Sinne steckt im Geld ein Element von Freiheit. Wenn ein einzelner Mensch oder eine Familie tatsächlich ums tägliche Überleben kämpft und dies seine bzw. ihre Hauptbeschäftigung darstellt, dann meint man schnell, dass alles wunderbar wäre, wenn sich nur ihre finanzielle Lage bessern würde.
Menschen benötigen also eine gewisse Menge Geld. Geld kann nützlich sein - man kann damit Essen und Medikamente kaufen, sich bestimmte Möglichkeiten verschaffen; man kann sich sogar ein Haus kaufen oder einen Urlaub bezahlen. Und wenn jemand mehr hat, als er braucht, so kann er das Geld dafür benutzen, um anderen zu helfen. Das ist etwas sehr Gutes.
Doch noch aus einem anderen Grund kann Geld wichtig sein. Die Grundlage dessen, was ich als fundamentale menschliche Werte betrachte, ist die Sorge um andere Menschen. Wenn
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