Glücksregeln für den Alltag
jemand wirtschaftlich sehr arm ist, dann ist es schwer für ihn, die menschlichen Werte in die Praxis umzusetzen. Es ist manchmal schwer, andere im Blick zu haben, wenn man selbst kaum überleben kann. Zum Beispiel ist es wichtig, die Umwelt zu schützen, aber wenn jemand Hunger hat, kann es durchaus sein, dass er Bäume fällt oder Schiefer abbaut, damit er sich ernähren kann. Er muss an seine unmittelbaren Grundbedürfnisse denken, ehe er sich um die Umwelt kümmern kann.
Doch hier sprechen wir über eine grundlegende Sichtweise, über die Einstellung zum Geld. Wir sprechen über die Fälle, wo Geld für Menschen nicht bloß ein Mittel zur Befriedigung von Grundbedürfnissen ist, wie Essen oder ein Dach über dem Kopf. Sie erwähnten, dass für manche Menschen Geld ein Mittel ist, um Freiheit zu erreichen. Aber für viele geht es weit darüber hinaus. Es gibt eine Art unterschwelliger Annahme, dass Geld alle unsere Probleme lösen könne. Und selbst bei Tibetern, selbst bei denen, die mit dem Gedankengut der Spiritualität und dem Leben des Buddha vertraut sind, gibt es manchmal die Neigung zu denken: ,Wenn ich in den Westen gehe und eine Menge Geld verdiene, dann wird alles wunderbar sein’. Es gibt einen modernen tibetischen Ausdruck für Geld: KungaDhondup. Wörtlich übersetzt heißt er ,das, das jeden glücklich macht und alle Wünsche erfüllt’. Diese Ansicht ist ganz eindeutig gefährlich. In manchen Ländern mag sie aus historischer Sicht verständlich sein - insbesondere in den Ländern, in denen die Gesellschaft wirtschaftliche Armut überwinden musste. In solchen Gesellschaften richtete sich das Hauptaugenmerk auf die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung erfolgreich wäre, so meinte man, wären viele gesellschaftlichen Probleme gelöst. Aber auch als sich die Bedingungen besserten, blieb dieses Denken. Man hatte die Entwicklung innerer Werte vernachlässigt, und dies ist, so denke ich, die Folge davon. Man könnte auch sagen, diese Art zu denken ist eine Folge oder ein Nebeneffekt der Unfähigkeit, den Wert des inneren Potenzials oder der inneren Werte wie Mitgefühl, Toleranz und menschliche Zuneigung zu erkennen.“
Der Dalai Lama fuhr fort: „Sie kennen vermutlich die Haltung der Leute besser als ich. Gibt es unter den wohlhabenden Leuten, denen Sie begegnet sind, im Allgemeinen ein Gefühl der Zufriedenheit, oder haben diese Menschen das Empfinden, es würde ihnen noch etwas fehlen und sie brauchten noch etwas anderes als Reichtum? Wie denkt die Mehrheit darüber?“
„Sobald sie reich geworden sind?“
„Ja.“
„Nun“, antwortete ich, „ich habe eine ganze Anzahl Menschen getroffen, die Hunderte Millionen Dollar besitzen, darunter war mindestens ein Milliardär. Mein Eindruck war, dass es für ihr tägliches Glücksempfinden keine große Bedeutung hat, dass sie reich sind. Doch ich kenne Menschen, denen es wirklich Vergnügen bereitet, eine Menge Geld zu besitzen. Einige kaufen zum Beispiel Kunstwerke und das gibt ihnen viel Befriedigung. Aber im Großen und Ganzen glaube ich, dass reiche Leute, die glücklich sind, nicht anders sind als arme Leute, die glücklich sind: Wenn sie wohltätig sind und wenn sie gute Freunde und gute Beziehungen zu ihrer Familie haben, dann sind sie glücklich; ist dies nicht der Fall, sind sie nicht glücklich. So einfach ist das - zumindest ist das mein Eindruck. Aber ich denke, dass die wissenschaftlichen Beweise, Studien, Forschungen und Umfragen, die von Sozialwissenschaftlern durchgeführt wurden, wichtiger sind als mein eigener Eindruck, der sich nur auf die wenigen reichen Leute stützt, die ich getroffen habe.
Es gibt neuere Studien, die zeigen, dass uns der Besitz von mehr Geld kein größeres Glück bringt, sobald unsere elementaren Bedürfnisse befriedigt sind. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen einem Mehr an Geld und einem Mehr von Glück. 2002 hat die New York Times berichtet, dass das Realeinkommen in den vergangenen dreißig Jahren in Amerika um mehr als 16 Prozent gestiegen ist, der Prozentsatz der Amerikaner, die sich selbst als ,sehr glücklich’ bezeichnen, in derselben Zeit jedoch von 36 auf 29 Prozent gefallen ist.“
Der Dalai Lama nickte nachdenklich und ich fuhr fort: „Nach Umfrageergebnissen hat die Zufriedenheit bei der Arbeit in den vergangenen Jahren abgenommen. Dieselbe Umfrage ergab, dass die Zufriedenheit bei den höchsten Einkommen am meisten abgenommen hat. Doch leider scheinen diese
Weitere Kostenlose Bücher