Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glücksregeln für den Alltag

Glücksregeln für den Alltag

Titel: Glücksregeln für den Alltag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard C. Cutler Dalai Lama
Vom Netzwerk:
den dicken roten Teppich unter prunkvollen Kristallleuchtern, umgeben von freskoartigen, in gedämpften Farben gehaltenen Wandgemälden an den Wänden und der Decke. Ein passender Hintergrund, um die Prominenz der Anwesenden zu unterstreichen. Ich erkannte viele Gesichter, die ich schon oft im Fernsehen gesehen hatte, aber es hatte irgendwie etwas Irritierendes, diese Menschen leibhaftig vor sich zu sehen. Ich wusste zuerst nicht recht, warum. Dann fiel es mir ein - viele dieser Leute schienen nicht „lebendiger“ zu sein als im Fernsehen. Ich schaute mir einige Politiker genau an; ihre tief gefurchten Gesichter waren zu einer undurchdringlichen Maske gefroren, ihre Bewegungen waren steif und mechanisch. Und dazwischen schwirrten eifrige junge Helfer und Praktikanten herum, die soeben ihr Studium abgeschlossen hatten und ganz berauscht von der Aura der Macht um sie herum waren; aus ihren Stimmen hörte man unterdrückte Aufregung. „Sie versuchen, sich wie Erwachsene zu benehmen“, dachte ich. Auf mich, der noch nie direkt mit der politischen Welt in Berührung gekommen war, wirkte die Szene fast surreal.
    Ich war früh eingetroffen und eine Menge Leute liefen umher.
    Die älteren und etablierten Gäste schienen so sicher in ihren Positionen zu sein, so gefangen in ihrem Eigendünkel, dass sie kaum Interesse an irgendetwas zeigten. Wenn sie jemandem vorgestellt wurden, schauten sie durch den Betreffenden hindurch und nahmen kaum wahr, dass da ein anderer Mensch vor ihnen stand. Die Jüngeren und weniger selbstsicheren, die bei weitem in der Mehrheit waren, schienen die Menschen, mit denen sie sprachen, ebenso wenig zu beachten; ihre Augen huschten ununterbrochen im Saal herum, in dem ständigen Bestreben, festzustellen, welchen Platz sie in der Hierarchie der Macht einnahmen. Einige gingen durch die Menge und stellten sich dabei selbst vor, und wie ich später dem Dalai Lama erzählte, wollten sie von denen, mit denen sie ein paar Worte wechselten, zumeist wissen: „Was machen Sie beruflich?“ Sie schienen ein Talent dafür zu haben, einen abzuschätzen - innerhalb weniger Sekunden konnten sie erkennen, ob jemand für sie nützlich war. War das nicht der Fall, machten sie sich bald wieder aus dem Staube und bahnten sich energisch ihren Weg durch den Saal, um jemand Wichtigeren zu treffen. Einige nippten Diät-Cola oder Weißwein. In der Mitte des Saales stand eine lange Banketttafel mit erlesenen Käsesorten, gegrillten Garnelen, Blätterteigstücken und sonstigen Delikatessen. Das Essen blieb jedoch weitgehend unangetastet. Viele der Anwesenden waren wohl zu angespannt, um zu essen. Ich schaute mich im Saal um und konnte nur wenige entdecken, die einen entspannten und glücklichen Eindruck machten.
    Endlich betrat der Dalai Lama den Raum. Der Kontrast war bemerkenswert. Wie gewöhnlich wirkte er ruhig und heiter. Mir fiel auf, dass er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, seine guten ledernen Rockports anzuziehen - er trug seine alten Gummisandalen. Man begann sofort, den Dalai Lama einigen Gästen vorzustellen. Er goss sich selbst ein Glas Wasser ein, während die Gastgeberin des Empfangs, Senatorin Feinstein, aus einer anderen Ecke des Saales einen schweren, antiken Eichenstuhl heranzog, ihn an eine Wand stellte und den Dalai Lama bat, sich zu setzen. Mehrere Senatoren bildeten eine Schlange, um mit ihm bekannt gemacht zu werden. Da ich auf der anderen Seite des Saales stand, konnte ich nicht hören, was sie sagten, aber ich beobachtete, wie er sie empfing: mit einem freundlichen Handschlag, einem warmen, offenen Lächeln, bei dem er ihnen direkt in die Augen sah; es war offenkundig, dass er ihnen, wie er es immer tat, von Mensch zu Mensch begegnete, unverstellt und unprätentiös. Bald sah man auch auf den Gesichtern der anderen das unvermeidliche Lächeln, selbst ihre Haltung war nun entspannter. Ich bemerkte, dass viele der Gäste, nachdem sie ihm vorgestellt worden waren, weiterhin in seiner Nähe blieben und zögerten, wegzugehen. Schließlich zog ein Senator einen Stuhl neben den des Dalai Lama. Der nächste in der Reihe tat dasselbe. Bald saß ein Dutzend Politiker da, an jeder Seite des Dalai Lama sechs. Ich sah, wie sich alle aufmerksam zu ihm vorbeugten, in ein Gespräch vertieft. Die Szene erinnerte mich an Bilder vom Letzten Abendmahl. Je näher sie dem Dalai Lama waren, desto mehr schienen sich ihre Gesichter und Körper zu entspannen. Als ich ein paar Minuten später wieder zurückkehrte,

Weitere Kostenlose Bücher