Glücksspiel der Liebe
viel über ihn gesagt. Gut, sie hatte eine Bemerkung über seine Überheblichkeit gemacht und schien froh, seiner Gegenwart zu entkommen. Doch das konnte auch die natürliche Hemmung einer Frau sein, die die Begegnung eines alten Liebhabers mit einem neuen vermeiden möchte. Nicht, dass es irgendeinen Hinweis darauf gab, dass der Conte ihr je etwas bedeutet hatte. Andererseits wirkte Orsetti ihr unübersehbar überaus zugetan. Und Jonathon war nicht ihr Liebhaber. Noch nicht. Obwohl sie ihm die Gelegenheit dazu gegeben hatte und bereits fünfundzwanzig war und viel Erfahrung mit Männern zu haben schien und unbeschreiblich begehrenswert war und keineswegs schüchtern oder zurückhaltend...
In Dreiteufelsnamen, hatten sie und Bernardo etwa eine Vergangenheit?
Das war die Frage, die ihn aus dem Bett getrieben hatte. Das und dieses unangenehme Gefühl, dass er den Conte schon einmal irgendwo gesehen hatte. Und in ihm keimte ein furchtbarer Verdacht, wo das gewesen sein mochte.
Fionas Zeichenmappe lag auf seinem Schreibtisch. Er setzte sich und schlug sie auf. Rasch blätterte er durch die Papiere und suchte nach den männlichen Akten. Endlich fand er das Gesuchte und starrte entsetzt darauf. Der Schreck fuhr ihm durch alle Glieder, er stand auf und zündete eiligst alle Lampen im Raum an, bis die Bibliothek hell erleuchtet war. Dann kehrte er zu seinem Stuhl zurück und betrachtete die Zeichnung lange.
Er hatte Recht gehabt: Das Gesicht hatte er schon einmal gesehen. Aber was war mit dem Körper? Gut, er hatte ihn nur angezogen gesehen, aber dennoch, Größe und Statur... Er fluchte leise. Wahrlich, ein Gefährte.
Nur wessen Gefährte?
Fiona straffte die Schultern, hob den Türklopfer an und ließ ihn fallen. Noch nie hatte sie so etwas Unanständiges getan. Nie zuvor hatte sie uneingeladen und unbegleitet vor der Tür eines Mannes gestanden. Doch Jonathon hatte alle möglichen wunderbaren Versprechungen und Erklärungen abgegeben. Wer wusste schon, was alles noch passiert wäre, hätte man sie nicht so rüde unterbrochen? Und sie war viel zu ungeduldig, um auf seinen offiziellen Besuch zu warten und ihre Konversation fortzusetzen. Außerdem hatte sie einen rechtmäßigen Anlass hierher zu kommen — abgesehen von ihrem Wunsch, Jonathon wiederzusehen.
Ungeduldig klemmte sie sich das in braunes Packpapier gewickelte Buch unter den anderen Arm und tippte mit der Fußspitze auf den Boden. Rechtmäßig oder nicht, die meisten Leute würden ihren Besuch als skandalös werten. Genau aus diesem Grund hatte sie sich bereits zu so früher Stunde auf den Weg gemacht.
Es war für alle spät geworden gestern. Ihre Schwestern waren noch auf gewesen, als Oliver, Tante Edwina und sie nach Hause kamen. Sicher würden alle im Haus außer den Dienstboten jetzt noch tief und fest schlafen. Mit ein bisschen Glück bliebe ihre Abwesenheit einige Stunden lang unbemerkt. Dass es ihr gelungen war, unbemerkt aus dem Haus zu schlüpfen und dann auch noch eine Mietkutsche zu finden, grenzte an ein Wunder. Doch jetzt hier vor der Tür zu warten, konnte sich als gefährlichster Teil ihres Abenteuers herausstellen.
Sie hob die Hand, um ein weiteres Mal zu klopfen, als plötzlich die Tür geöffnet wurde. Ein älterer Herr mit bemüht ausdrucksloser Miene, offenbar ein Butler, blickte sie kühl an.
Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln. »Guten Tag. Ich wünsche Lord Helmsley zu sprechen, bitte.«
»Wen darf ich melden, Miss?«, fragte der Butler ungerührt, als wäre es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass zu dieser Uhrzeit junge Frauen unangekündigt vor Jonathons Haustüre erschienen.
Vielleicht verließen die jungen Damen für gewöhnlich in den frühen Morgenstunden das Haus.
Sie schob den Gedanken beiseite. »Miss Fairchild.«
»Selbstverständlich, Miss.« Eine Andeutung von Neugier flog über sein Gesicht, doch er war viel zu beherrscht, um mehr als das zuzulassen. Er bat sie in die Eingangshalle und nahm ihr Hut und Mantel ab. »Ich werde Seine Lordschaft von Ihrer Ankunft unterrichten.« Er nickte und verschwand im Schatten einer gewundenen Treppe.
Fiona atmete tief durch. Zumindest schien Jonathon auf zu sein und der Butler müsste ihn nicht aus tiefem Schlaf reißen. Aus dem Bett. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie er geweckt wurde, und es schien ihr ein Jammer, dass sie das nicht selbst tun durfte. Noch nicht.
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Miss.« Der Butler tauchte aus dem Nichts wieder auf und sie
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